Ich kenne Busum, nicht Büsum
Für einen Glauserpreis nominiert zu sein, bedeutet: man erhält den VIP-Status im
Syndikat. Verbunden damit ist eine rundum sorglos Organisation, die nichts zu wünschen übrig läßt. Ich stieg wie Clint in seinen neuen Film in die Bahn, und der Rest ergab sich. Das alles mutet noch erhabener an, wenn die Umstände ergeben, daß der Nominierte vorher sechs Stunden lang seine MTX durch die Kölner Rushhour bürstet. Immer noch
fehlte das Schaltwerk; man gurkt also mit wenig Zuversicht seinem Ziel entgegen, es jemals zu erreichen.
Criminale in
Büsum also, und der Weg dahin per Bahn erfrischt die Seele mit Verspätungsmeldungen der 'möglicherweise wird ein Anschluss nicht erreicht'-Form. WENN ein Anschluss nämlich nicht erreicht wird, wird auch die Lesung nicht erreicht und damit das Ziel, den VIP-Nominierten vorzustellen. Gut, daß wir eine Beate Maxian haben, Elke Pistor (selbst Nominierte), Sandra Lübkes, Nadine Buranaseda und Angela Eßer. Man merkt: alles Frauen. Sie sind halt besser organisiert. Und kennen sich mit Telefonen aus, managen Probleme wie Paul Bocuse das Gewürzregal.
Büsum ist auch wirklich den Aufwand wert. Das letzte Piratenstädtchen, wie es sich selbst gern darstellt, beherbergt - zumindest in Nieschen - wohl wirklich welche. Piraterie am Touristen verüben sie augenzwinkernd. Man kann ihnen nicht übel gesonnen sein. Nur eins stört: der Betonturm, das Hochhaus am Strand, das Wahrzeichen des Nordens, ein Pfeiler mitten im schönsten nordischen Watt. Watt soll denn ...? fragt sich der Besucher.
Es ist eine ungeklärte Frage, bleibt rätselthaft wie die Spekulationen darüber, deren freundlichste auch am besten zur Beobachtung der Einheimischen passt. Es habe der Bauleiter augenscheinlich Höhe und Breite verwechselt, also vertikal, statt horizontal gebaut - oder anschaulich: oh, so rum muss man den Plan also halten?! Das können sie nicht im Norden, Breite und Tiefe auseinander halten, datt merkt man auch im Gespräch. Tief nennt der Norde ein besonders freundlich betontes Mojn, breit wäre, wenn er es zu wiederholen gezwungen wäre.
Den Kurzgeschichten-Glauser bekam ich nicht, den erhielt Christiane Geldmacher. Nun, wenn man einen solchen Namen hat, dann ... muss man auch lustige Reden halten.
Das gedruckte Wort von ihr, soviel vorweg in Kürze, ist so charmant wie das fürs Mikro: Ich kenne Busum, sagte sie, nicht Büsum. Im Dementi der eigenen Rede klingt das exemplarisch. ICH kenne Busum nicht und Büsum wenig. Jetzt ein bisschen besser. Den Pesel zum Beispiel, wo man sich trifft, wenn man Autor ist.
Und die Belegschaft kennt nun uns. Autoren. Für immer. Autoren sind lästig. Sie gehen nicht, wenn sie einmal beisammen sind. Das ist eine Art kalter Fusion mit anschließend zwangsläufiger Reaktorkatastrophe. Wunderbar mit einem Wort. Am Ende trotten sie alle traurig auseinander und freuen sich aufs nächste Jahr.
Büsum aber über-lebt weiter und bekommt obendrein noch eine Anthologie, was denn auch die Angreifer von jenseits der Elbe zu Piraten macht,
und wir vertrauen uns wieder den anderen Piraten an, denjenigen, die sich auf Eisengleisen bewegen, der Bahn. Sechs Stunden Fahrt, ein Schlag Thors ins Genick - so muss es sein; es soll ja zwischen hier und dort eine breite Brandschneise geben, damit Realität und Fiktion nicht durcheinander geraten.
Ich habe dann noch an der MtX geschraubt und mit mir einige andere Bastler, so daß wir letztlich gemeinsam den verschollenen sechsten Gang der Honda fanden. Der allerdings auch nicht hilft, wenn einem der Sturm ins Gesicht peitscht und die Lkws von hinten wie Räumfahrzeuge dräuen. Nach langer Reise zurück die Erkenntnis, daß man zulange weg gewesen ist. Ein Programm mit Perspektive. Wohl deshalb der Hochhausturm. Man sieht mehr.
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