Kein Leerlauf
Die Brücke ist ganz niedlich. Sie verbindet die Altstadt mit dem Jachthafen, zumindest für Fußgänger und Leute, die viezen oder Bromviezer. Mein Fortbewegungsmittel:
eine 30 Jahre alte MTX80
, klassischer Look bei defekten kleinen Gängen. Neutral geht nicht rein, das stört ein wenig im Stadtverkehr; vor allem, wenn bewusstlose Leute auf der Straße liegen.
Aber nicht auf dem Pflaster von dieser Brücke, da herrscht Sommerlust pur; die Menschen, die dort die Rur queren, wohnen in der Vorstadt Sint Jacob und gehen hinter der Ampel ins Café. Frietjes gibt es auch, und somit ist alles wie es in Holland sein sollte, Limburg - pardon. Ich bin aber wegen des Jachthafens da. Boote. Der älteste Menschheitstraum. Ein ganzer Hafen voll.
Sie liegen jenseits des Brückchens. Und dösen in der Sonne, tragen vielsagende Namen von Frauen und/oder Begebenheiten, die in der Vergangenheit lagen, 'Alegria' - da war wohl jemand in Spanien und hat auf der Heimreise ein 'l' verloren, 'Anette' hat schon bessere Zeiten gehabt. Eine Persenning verdeckt das Schmuckstück, am Heck können Taucher ins Wasser.
Ein älterer Herr wendet seinen Kahn, möglicherweise wird im Frühstücksraum die Sonne zu heiß. Und irgendwo bürstet jemand die Kapitänskajüte. Wellenmuster spielen auf Rümpfen und unter der Wasserlinie zeigt der Pflanzenwuchs die Liegezeiten an. Sehr hübsch. Ein Boot brauche ich auch. So eins.
Roermond hatte ja vor nicht allzu langer Zeit dieses Erdbeben, das stärkste in Mitteleuropa seit Siebzehnhundert-irgendwas. Hat ganz schön gewackelt. Ich kann mich noch gut erinnern. Und zwar noch hinter Köln. Auf den Plassen im Boot wird das nicht so heimelig gewesen sein, aber große Schäden gab es wohl auch nicht. Die Stadt ist schnuckelig. Man fängt gleich an, Te-Koop-Schilder zu suchen, begutachtet Fassaden und Ausblicke. Die meisten sind gut.
Dabei habe ich das Outlet-Center nicht mal gesehen, aber deshalb bin ich ja auch nicht hier. Das Ding scheint die größte Attraktion der Stadt an Rur und Maas zu sein. Mir fehlt noch jede Vorstellung davon, was sich hinter dem marketingösen Namen verbirgt. Nächstens vielleicht. Von da, wo ich bin, kann man über gleich mehrere Grenzen spucken. Das nehme ich mir mal für die nächsten Tage vor.
Aber heute Hafen, und das mit Muße. Ein Planschbecken voller Spielzeug für echte Männer, die Wind und Wellen trotzen - oder gern ein wackeliges Bier trinken. Seit Johnny Depp sind Piraten ja wieder in. Naja und am Ende des Tages liegt die ältere Dame auf der Straße. Passanten helfen ihr auf, und die MTX kann gute Dienste als Straßensperre leisten. Quer auf der Fahrbahn. So merkt man, wie wichtig ein Leerlauf-'Gang' ist.
Kein Leerlauf ist ja auch auf dem Wasser eine Qualität, im Leben aber ganz sicher. Zeitweise. Es zeichnen sich ganz sanft Erfolge ab. Offenbar funktioniert das doch mit dem Schiffe Schieben. Ein altes Bild: Wenn man im Hafen an einem Tau zieht, dann tut sich erst mal nichts. Und das kann für lange Zeit so bleiben. Aber wenn am anderen Ende ein großer Kahn dran hängt, dann wird er sich irgendwann in Bewegung setzen. Und dann hat sich das Ziehen schließlich doch noch gelohnt.
So, welches Boot nehmen wir denn getz? Das da hinten oder das da vorn?
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