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Monsignore Benedetto Barca erhielt den Anruf des Ministerialbeamten im vierten Stockwerk des Hotel Alixares. Er hatte mit würdigem Nachdruck an der genannten Tür geklopft, hinter der die Security des Betriebs arbeitete, und war, als niemand auf sein Zeichen antwortete, in den Raum getreten.
Dort stand ein Tisch, auf diesem zwei Monitore, eine halbvolle Kaffeetasse und davor ein leerer Stuhl. Über dem Stuhl hing eine abgewetzte blaue Uniformjacke mit Alixaresemblem. Ansonsten war der Raum leer. Die Tür zum angrenzenden Zimmer blockierte eine Teppichrolle mit eingeschweißter Auslegeware. Allerlei Kabel waren als ewiges Provisorium mit Klebeband zu einem Strang gebündelt und liefen an den Fußleisten entlang scheinbar einmal im Kreis um den Raum. Unter anderem klebte der Strang auch an der Teppichrolle vor der Nebentür und verschwand dann in einem mit der Akkuratesse eines Vorschlaghammers in den Putz geschlagenen Mauseloch in der Wand.
Der Monsignore blickte sich um, wandte sich dann wieder dem Eingang zu und vergewisserte sich, dass auch draußen am Gang niemand zu sehen war, als das Mobiltelefon ihn aus seiner Verwirrung riss und in eine neue stieß. Er führte es zum Ohr und gleichzeitig seine freie Hand zur Nase. Ein klebriger Belag haftete an der Klinke und somit auch an seiner Hand. Scheinbar hatte jemand ein Stück Klebstreifen auf dem Türknauf nur unzureichend entfernt. Oder der Kabelstrang hatte vormals einen anderen Weg über die Klinke genommen.
Der gesamte Raum wirkte wie eine in die Jahre gekommene Baustelle der inneren Sicherheit eines gewöhnlich nicht mit unnötigen Sicherheitsgedanken erfüllten Ortes. MBB lauschte den Tauben vor den Fenstern und der Stimme am Ohr. Auch der Teilnehmer am Telefon schien um Sicherheit verzweifelt zu ringen. Der hohe Beamte vom Vorsitz der PK war den Geräuschen nach auf dem Heimweg nach Madrid. Das Ministerium kündigte durch ihn entschiedene Schritte an. Der Verlauf der Pressekonferenz hatte bis in den Escorial hin weitreichende Unzufriedenheit ausgelöst. Als der Bediener der Überwachungstechnik in den Raum schneite, traf er Barca im denkbar ungünstigen Augenblick. Aus der Fassung zu geraten, erlaubte sich MBB für gewöhnlich nur dann, wenn niemand anderer zugegen war.
„Was sind entschiedene Schritte?“ erkundigte sich der Kirchenmann ungewöhnlich scharf.
MBB blickte dem gerade eingetroffenen Hotelangestellten unverwandt ins Gesicht, so dass dieser verunsichert in die Gestik eines Messdieners verfiel und sich zeremoniell verbeugte. Der Angestellte wirkte an seinem eigenen Arbeitsplatz wie ein Requisit in einer vergessenen Abstellkammer. Während der bedrückenden Zeitspanne, die der Gesprächsteilnehmer am Telefon brauchte, um Barcas Frage zu beantworten, nahm der Wachmann seinen Sessel ein und manövrierte, um die ungemütliche Atmosphäre zu überbrücken, eine leere DVD in sein Laufwerk. Er verkantete den Rohling ungeschickt in der Schublade und fluchte gestisch, indem er sein komplettes Gesicht in Runzeln zog.
Den schweren Händen des knapp unter dem Pensionsalter angekommenen Herrn war anzusehen, dass er diese Art Arbeit nicht immer verrichtet hatte. Er war eher körperliche Tätigkeiten gewohnt, doch hatte man ihn wohl eines gichtigen Leidens wegen auf diese Wirkungsstätte abgeschoben, die ihm nun offensichtlich gar nicht lag. Immerhin belohnte den Abgesonderten hinter zwei großen unverhangenen Fenstern die gigantische Aussicht auf die rote Burg. Ein Postkartenmotiv.
Nervosität ließ den älteren Herrn bei seinen Tätigkeiten noch unbeholfener als der eingeschränkten Agilität geschuldet erscheinen. „Kommandospezialkräfte?“ hakte der Monsignore in seinem Telefongespräch nach, als müsse er schlechten Handyempfang kompensieren. Mit der freien Hand versuchte MBB, die Skizze des Sprengsatzes zu entfalten, die ihm sein Assistent gegeben hatte. Im gleichzeitigen Bemühen, den Sinn hinter den telefonisch angekündigten Einsatzplänen des Ministeriums zu begreifen, überboten sich die beiden Herren im Raum gegenseitig in der Aufführung eines Schauspiels der Hilflosigkeit gegenüber den Tücken von Materie und Geist.
Schließlich strich Barca das Papier auf dem Schreibtisch glatt, während einer der Monitore in Endlosschleife Yariza Zidán zeigte. Die Feuerwehrfrau war erkennbar vor dem Hotel von einem Motorrad aus attackiert worden. Von der Rückbank einer leichten Crossmaschine aus hatte ihr offensichtlich mit Berechnung ein Vermummter aus zügiger Fahrt den Helm gegen die Schläfe gerammt.
Der Angriff wirkte wie die Strafaktion einer Yakuzagang in einem japanischen Gewaltfilm um Prostituierte, Drogen und Clanehre. Die Feuerwehrfrau, deren Auftritt auf der Pressekonferenz bis hinauf ins Ministerium Wirkung gezeigt hatte, war auf den unerwarteten Schlag hin gegen einen Container geprallt und anschließend irgendwie noch am Unterleib vom Motorrad erfasst worden. Die Sequenz enthielt zu wenig Bilder, um erkennen zu lassen, wie genau die schwere, klaffende Verletzung am Bein der Feuerwehrfrau entstanden war. Aber selbst mit halber Aufmerksamkeit und einem Auge konnte Barca den üblen Vorsatz entziffern, der hinter dieser Attacke gesteckt haben musste. Es war kein Unfall gewesen.
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