geheimnisumwittert

Sie sind rar geworden aber vielleicht auch deshalb erst sichtbar im geschäftlichen Alltagsleben. Diese Personen waren zu ewigem Schattendasein verurteilt, einer Existenz als unsichtbare Kräfte, die Regale auffüllen und Hinweise geben wie: „Karten von der Normandie haben wir im Untergeschoß“. Eltern von Schulkindern lernten sie kennen, wenn sie ihre Paketchen abholen gingen, in denen das Papiermaterial für das nächste Schuljahr zusammen gestellt war, ansonsten verschwanden sie für gewöhnlich zwischen Aufstellern mit Postkarten und dem Regal, in dem liniertes Papier rechts oben neben dem karierten liegt. Buchhändler.

Sie waren unsichtbare Bewohner eigentümlicher Geschäfte, in denen es was zu kaufen gibt, das man nicht ums Handgelenk wickelt, nicht aufs Bankkonto trägt, nicht über die Autobahn jagt, nicht isst, trinkt oder in Diashows bannt. Sie waren eigentlich überflüssig. Denn ihre Ware ist Nahrung für den Kopf, das Herz und die Seele, und wer kauft das schon in Krisenzeiten? Heute besonders, wo dieser Art Ware schon fast genauso peinlich ist wie seinerzeit ein Erotikmagazin vom Kiosk am Bahnhof. Man bestellt diskret im Internet und sendet den ganzen Ramsch genauso diskret auch wieder zurück – der Auftragszettel liegt schon bei.

Buchhändler könnten uns daran erinnern, dass Lesen noch was anderes ist als den neuesten Stand der Bundesliga mit den Spielergebnissen des letzten Wochenendes im Kopf abzugleichen, heraus zu finden, wo beim neuen Smartphone der Einschalt-Button ist und in die verworrenen Labyrinthe einer Gasrechnung hinab zu steigen. Lesen kann Spass machen! Ohweh, jetzt ist es raus. Nina George erfand einen Buchapotheker in ihrem Bestseller 'Das Lavendelzimmer' und machte damit nicht nur den Buchhändler sichtbar, sie schafft es auch, ein Phänomen sichtbar zu machen: dass nämlich Geschichten Medizin für die Seele sind und somit die Phamazeuten – nennen wir sie Librotheker – eine bisher kaum beachtete Rolle zu spielen beginnen. Sie vermitteln das Buch.

In Heinsberg kaufte ich neulich in einer Buchhandlung Hans Magnus Enzensbergers Zahlenteufel und konnte mich bei diesem Vorgang kaum von der Beobachtung trennen, wie ein Buchhändler einem Kunden Literatur offerierte. Keine Suchmaschine der Welt, wie clever auch immer, könnte das leisten. Ein grandioser Rundblick durch die Regalfauna eines Urwalds, den es zu entdecken gilt. Auch in Hachenburg lernte ich solch einen Buchhändler kennen. Man erkennt sie zuweilen an ihrem angestammten Ambiente. Vielleicht ein aussterbender Lebensraum, aber so etwas wie ein mentales Paradies in vertikaler Anordnung, eine Art japanischer Garten der Leselüste. Allein so ein Schaufenster verdient hier noch seinen Namen.

Ein besonderer Typus von Buchhändler ist auch der Thomas. Er leitet, inspiriert und erweckte das Bonner Krimiarchiv, ist aber neben frühen Tätigkeiten (siehe Lavendelzimmer:) zur See und als Jurysekretär und Außenminister der Krimiliteratur vor allem eins: mit ganzer Seele Buchhändler. Man kann, sagt er in seinem Krimitip abschließend, alle diese Bücher auch kaufen, zum Beispiel hier: bokas. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Den Krimitip gibt es dort auch, regelmäßig, wenn man will, per mail. So einfach ist das heute.