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Ich bin nicht Charlie. Es ist reiner Zufall, dass religiöse Konflikte das Thema der Reihe Vincent & Corelli sind, denn die Reihe startete, schon bevor die Suppe überkochte. Andererseits ist es auch wieder kein Zufall, denn jeder, der Augen hat, kann sehen, dass und wo Konflikte wachsen, und jeder, der sich mit ihnen ehrlich beschäftigt, statt Rein-Raus-Ende-Gebrülle über die Straßen zu tröten, kann sich an fünf Fingern abzählen, wozu diese Konflikte dienen.
Viele Menschen kommen zur Zeit in arge Bedrängnis, weil die Polarisierer gerne klare Meinungsbilder hätten. Ich bin als Schriftsteller und 'Mitbürger' nicht der Überzeugung, dass man sich zur Zeit eine Orientierung schaffen müßte, in welcher Richtung am besten die Pflastersteine fliegen; ich bin der Meinung, dass man angesichts der geradezu historischen Vorgänge darüber nachdenken sollte, ob man als Werfer von Pflastersteinen und Parolen möglicherweise nur eine weitere Marionette in einem Spiel ist, auf dessen beider Seiten die Spielfiguren eben Marionetten sind. Und Pflastersteine besser am Boden bleiben, damit wir darauf laufen können.
Vincent und Corelli durften schon vor Jahren in Rio de Janeiro erleben, was es bedeutet, Akteur in einem Theaterstück zu sein, dessen Skript man nicht kennt. Man nennt das Komödie. Ich selber bezeichne den Zustand als Leben. Wer sich noch nie als Marionette empfand in seinem Leben, der hat, meine ich, nicht gelebt; oder er gehört zum Personenkreis derer, die glauben, Selbstbestimmung verwirklicht zu haben. Menschen zum Beispiel, die sich von der Werbeindustrie ganz unabhängig fühlen, deren beworbene Produkte aber kaufen, weil sie überzeugt sind, dass sie wollten, was sie wollen. Nämlich das, was man ihnen sagt, dass sie es wöllten.
Menschen, die sich mit Sturmgewehren zur Zeitung aufmachen, glauben ja sicher auch, dass sie Architekten ihres eigenen Daseins wären. Wenn schon nicht des Daseins hier, dann eines Daseins dort, wo die verqueren Vorstellungen ihrer geistigen Ziehväter auch irgendwie logisch klingen. So logisch, dass sie sich auch in den rechten Fuß schießen würden, weil sie überzeugt sind, dass ihnen dafür im Jenseits zwei rechte Füße wachsen.
Die Logik des Unsinns war schon immer mit Lautstärke verbunden, mit Sprachrohren, Glaubenspatronen und ihrer unbestreitbaren Unfehlbarkeit, mit der Uniformität der Masse und dem Zwang, Deviationen im Keim zu ersticken. Deviationen, die man auch etwas charmanter als eigenständiges Denken bezeichnen könnte, Sinn und Verstand. Oder eben als individuelles Leben.
Denn eins ist mal klar: wenn das Ende kommt und damit die Abrechnung, dann blickt jeder selbst auf seinen Scherbenhaufen und muss dafür auch selbst gerade stehen. Da ist dann kein Papst, Mullah oder Präsident mehr am Krankenbett und bietet sich an, Charon den Obolus zu reichen, weil der arme Irre, der da ans Boot humpelt, seinen Verstand, sein Talent und seine Gaben in den Sand gesetzt hat – für zwei rechte Füße.
Glaubenskriege haben es so an sich, noch dümmere Rechtfertigungen zu suchen, als gewöhnliche Kriege das schon tun, noch durchschaubarer und billiger ins Land zu gehen und noch größeren Schaden anzurichten, da sie im Hintergrund immer – wirklich immer – auch oder vornehmlich Wirtschafts- und Machtkriege sind, die obendrein noch die innersten Werte des Menschen missbrauchen, fressen und auskacken, bis von ihnen nichts mehr übrig ist.
Das alles will eine Komödie aber nicht zeigen. Sie will unterhalten. Ich will ehrlichen Menschen über die Schulter sehen, wie sie in dem Desaster ihre eigenen Wege finden. Unterhaltung, die sich als bildende Fortsetzung des Journalismus empfindet, gibt es genug, erfreut sich großer Erfolge und wird wahrscheinlich sehr viel tiefer und inniger in die Fehlersuche von Gesellschaftsmodellen hinein steigen, als die beiden Superspürnasen Vincent & Corelli das tun … oder ihre Zeitgenossen im selben Spiel und losem thematischen Zusammenhang.
Aber wie gehen wir damit um? Das ist die Frage, die mich beschäftigt. Denn wenn die Glaubenskrieger weitergezogen sind, die Heuschrecken ihr Dollargrün gefressen haben, der Kommunismus weg, die Atomwaffen verschrottet, die Ausländerisierung im Keim erstickt, alle Karikaturen verbrannt, die Ungläubigen totgepeitscht und alle Pflastersteine in der Luft sind, dann sind wir es schließlich, die den ganzen Dreck wieder aufräumen müssen und uns neue Werte ausdenken, wofür und warum wir das tun. Hinter den Irren Dreck weg zu räumen.
Wir, die wir eigentlich jetzt schon darüber lachen sollten, was wir uns immer mal wieder selbst antun. Indem wir glauben, was in der Zeitung steht. Golfkrieg der Damen: erscheint demnächst, der brandneue Titel aus der Vincent&Corelli-Reihe. Wir sind in Spanien, rasen nachts die Küste rauf und runter, begleiten einen Rollstuhlfahrer und seinen Engel, und das Buch heißt: Pecho aus Guacamole. Hier in diesem Kino
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