heute mal zeitnah
Ich habe schon häufig darüber nachgedacht, ob das Schicksal in mir nicht einen Installateur gesehen hat. Installateure sind Mangelware, und beständige Installationen sind es auch. Die Welt ist hauptsächlich mit Vergänglichem verrohrt. Ich möchte das Wort antik vermeiden. Das ewige Schicksal hat mir jedenfalls bevorzugt das unter die Füße gelegt, was platzt, tropft, leckt und nach pflegenden Händen schreit. Heute ist es eine Pumpe in den trüben Tiefen von einem betonierten Sumpf, die mich von der Taste wegreißt. Da es ganz allgemein selten und in solchen Fällen gar kein qualifiziertes Handwerk gibt, schraube ich mich also selbst im Loch fest und erkunde das Problem: eine fehlende Schelle. Gut wär’s gewesen, hätte ich nicht als Autor gelernt, dass Probleme Probleme verursachen, und als Physiker, dass sie selten die Ursache dafür sind. Ich hatte mit glücklicher Hand den Anfang einer Kette gefunden, die sich durch das Röhricht im Sumpf aufwärts zieht und im gesamten System ihre Problemblüten treibt. Diese duften nicht so aromatisch wie andere in der freien Natur. Man muss keine gute Nase haben, um sie zu finden. Es sei denn, sie sprießen überall, dann hilft es wieder. Nach kurzer Zeit war die halbe Etage zerlegt und wartete geduldig, dass die Pumpe im Sumpf ihre Schelle kriegt.
Und da geht es los. Denn das Schicksal im Loch erfordert meist nicht nur handwerkliches Geschick. Es kombiniert auch gern Dringlichkeit mit dem Zwang zur Meditation. Wo lagen noch die Schlauchschellen rum? Man kann jedes Problem lösen, man braucht dafür nur Zeit. Ich wog ab: schnell in den Baumarkt oder weiter kramen? Der erste Gedanke ließ mich ins Auto hüpfen. Einmal weil ich ohnehin Bananen brauchte, und zweitens möglichst schnell. Auch am Computer sinkt der Zuckerspiegel, wenn man nicht rechtzeitig Maßnahmen ergreift. Im Baumarkt treffe ich eine Kassenkraft, die gerade am Telefon einen Kunden abwimmelt. Die schlechte Laune malt auf ihrem Gesicht Knitterfalten. Ob ich da mit einer Schlauchschelle helfen kann? Sie mir auch nicht so auf Anhieb. Operationen am offenen Herzen sind tückisch, wenn die Narkose falsch wirkt. Am Arzt und nicht am Patienten. Meine Versuche, die Stimmung aufzuheitern, verrauchen im Wind. Man bräuchte einen Defibrilator dafür, und den habe ich gerade nicht dabei. Im Keller liegt auch keiner, was mir Sorgen macht, denn der Blutverlust im Haus könnte in meiner Abwesenheit zum Herzstillstand führen. Ich wollte schon immer mal dramatisches schreiben, so wie die Worte: hier zählt jede Sekunde. An der Kasse vom Baumarkt nicht. Da hatte die Zeit gerade Mittagspause.
Weshalb ich dann auch den Weg zu den Bananen mit zweifelnden Gefühlen antrat. Auch Zuckerspiegel sind tückisch. Wenn du keinen hast, dann kannst du nicht gut an Pumpen schrauben. Ihr Sumpf könnte dann das letzte sein, was du auf Erden zu Gesicht - und in den Magen bekommst. Also doch noch schnell den Korb gefüllt und bei den Lebensmitteln an die Schlange gestellt. Dort an der Kasse zählte … ich hab’s passend … ein Kunde alter Schule den Inhalt seiner Börse auf den Tisch. Börse ist hier ein Synonym für Wundertüte. Es kam zum Vorschein, was geprägt worden ist, als es in meinem Keller noch keine Rohre gab, stattdessen wilde Bären. So in etwa wie das Untier aus dem Wald wühlte der Kerl in seinem Futtervorrat herum. Man muss sich nur den Winterschlaf dazu denken, der ihm auf den Augen lag, wo eigentlich eine Brille hingehörte. Besser noch ein Nachtsichtgerät. Die Kassenfrau war bedient, wie es eigentlich die Warteschlange hätte sein sollen. Ich kam aus dem Laden mit einem Omm wieder raus. Und dachte über Zeit nach, die dir entschlüpft, wenn du glaubst, du hättest sie in einer listigen Idee gefangen. Mein Manuskript handelt davon. Es handelt meist, wenn ich nicht am Computer bin, um es zu schreiben. Die weise Einfalt lehrt, dass unser Leben online auch ohne uns weitergeht. Es zieht an uns vorbei und macht, was es will.
Zuhause habe ich dann alles schön festgezurrt, aber die Zeit war trotzdem weg. Was eine Zeit ist, die findet immer einen Fluchtweg. Es ist jetzt Nachmittag, ich habe Bananen, die Pumpe läuft rund, und ich bin wieder in Laune, um der Zeit Fallen zu stellen. Mal sehen, vielleicht geht sie mir ja irgendwann doch noch ins Netz. Und nicht ich ihr ständig auf den Leim.
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