Das Paradies
Um Gottes Willen, das hatte ich jetzt nicht erwartet. Ein Sonnentag in der Sierra de Grazalema im Mai (vorher bis auf die Unterhose nass ganze Tage im Sattel verbracht). Die Wetter-App zeigt weitere sechs Tage Regen. Natürlich freut sich der Landmann in einer Region, die vor wenigen Tagen noch unter der Hitze stöhnte. Ich aber komme von Ibiza und trage meine Blasenentzündung im Gepäck, da freut die Sonne. Erster Tag ohne Beschwerden (mit Erwachsenenwindeln geht‘s, ha-ha) und gleich auf den Bock. Es könnte die letzte Gelegenheit sein, bevor dich der Arzt endgültig aus dem Verkehr zieht. Also los, die Strecke nach Gaucin, auf der ich letztes Jahr den Plan gefasst hatte, man müsste mal mit dem Motorrad hier her. Jimera, Cortijos de la Frontera, Utrera, um … ja, Gottes Willen, … wer hat nur diese Pisten entworfen? Es ist ein Traum. Und wenn der Herr im Himmel nicht ein solcher ist, fragt sich, zu welchem anderen Zweck er diese Piste entworfen hat, als Glück auf zwei Rädern zu spenden.
Das war nötig. 3.000 km durchwachsen vorwiegend festkochend, renne ich in Gaucin gleich in die Mopettkneipe rein. Neben der Tankstrelle hat sie einen direkten Blick (Balcón de Gaucin) auf Gibraltars Felszacken, und an den Wänden hängen die Devotionalien des Motorradrennsports. Die Wirte verkünden verschämt, dass ihr (herrlicher) Kaffee (con leche) nur einen Euro kostet, während ein Gast fröhlich in die Runde ruft, dass ich die günstigste Kneipe im Umkreis gefunden hätte. Und die beste. Denn das Essen ist göttlich.
Leider nicht für mich, denn dank meiner angeschlagenen Gesundheit esse ich weniger als ich trinke. Das Rauchen habe ich aufgegeben, und so bleibt nur der Asphalt, den die Dakar frisst, als gäbe es Kilometergeld. Ich ertappe mich öfter als mir lieb ist bei einem Panoramablick in die Sierra, während es um Kurven geht, die auf und ab die dritte Dimension erkunden. Und dann fällt mir auf, dass ich die fast durchgängig 40 km - Beschilderung fast durchgängig missachtet habe. Ja, gab keinen Grund dafür - bis vielleicht auf den Ziegenbock, der hinter einer Kurve quer über der Fahrbahn stand und käute: 40, 30, 20, spuck.
Und jetzt? Denke ich, dass ein paar Tausend Regenkilometer eigentlich auch nicht die Welt sind, wenn man zum Ziel kommen will. Ich bin drin: im Motorradfahrerparadies.
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