der Seufzer des Mohren
Ich will euch gerne etwas über die Vorbereitungen zu einer Reiseleitung erzählen. Doch es wäre unfair. Wie könnte man gerecht werden den Gästen, die nach Spanien aufbrechen in der Überzeugung, dass Spanien auf sie vorbereitet ist wie eine Hochzeitsgesellschaft auf die Gäste? Wir warten sehnsüchtig, dass sie eintreffen und glücklich mit uns teilen, was wir teilen möchten. Wir sehnen den Augenblick herbei, in dem wir die Magie zeigen und erspüren können mit Menschen, die unsere Wünsche und Sehnsüchte mit uns gemeinsam haben.
Doch ist das Leben eine Reise, auf die wir selbst unvorbereitet sind. Wir lernen, wenn wir da sind. die Magie, die wir vermitteln, müssen wir selbst spüren. Es ist fast so, als suche man nach einem Schlüssel im Gast, den man nicht kennt, und weiß nicht, in welcher Tasche er oder sie ihn gelassen hat. Eine Lesereise hat es in sich. Es ist nicht der Autor in erster Linie beteiligt, es sind die Lesenden, die den Weg kennen. Und wir müssen ihn ihnen zeigen. Erspüren aus eigener Erfahrung, die manchmal bizarr erscheint, und sich darauf verlassen, dass da jemand denkt und fühlt, wie wir denken und fühlen.
Was ist eine Reise, die man nicht fühlen kann? Und was würde eine solche Reise unterscheiden von einer Doku, die man im Fernsehen sieht? Ich bin zu allen Orten gefahren und habe Menschen getroffen, die allein meine Rundreise wertvoll genug machen würden, um sie zu gestalten: Lernen Sie Portiers, Gastgeber, Straßenfeger, Touristiker und Gastwirte kennen - und nebenbei auch noch die schönsten Orte der Welt! - Kämpfen Sie mit ihren Handys gegen Funklöcher wie Don Quichotte gegen die Mühlen der Mancha! - Verlaufen Sie sich in maurischen Labyrinthen, denen fliehende Herrscher ihr letztes Legat mit auf den Weg gaben: du bist unser!
Zeit spielt keine Rolle, sagt die Weisheit der Weisen, an die ich immer denken muss.
Und dann kam das Finanzamt. Und der Traum versuchte, vor meinen Augen zu einer Zahl zu zerplatzen, die sich in Spanien NIE nennt. Nie heißt nicht nie, es ist eine Abkürzung für die Steueridentifikationsnummer. Ich bin in der herrlichsten Ortschaft, die jedermann kennt vom Hinterland der Costa der Sol, Ronda. Hier wurde der Stiefkampf „erfunden“ und die beiden Teile der Altstadt sind von Brücken verbunden, die Hemmingway, Welles und Gardner`s Seele erweichten, als mich der Ruf der modernen Inquisition erreicht: du brauchst eine NIE.
Mensch, in so kurzer Zeit habe ich NIE so viele Freunde als solche erkannt und mich klar und ganz dessen besonnen, was uns Menschen als Meister der Improvisation auszeichnet. In drei Tagen das herbei zu zaubern, was Generationen staubigen Papiers geschaffen haben, eine Fata-Morgana der Rechtschaffenheit, hat mich einiges gelehrt. Vor allem eins: Spanien ist anders.
Doch Deutschland wäre genauso. In diesem Punkt. Nur wäre das Problem in dieser Zeit in meinem Heimatplaneten gelöst worden? Zwei Fragezeichen. Eine Freundin erklärt die Situation, während eine andere „nur die Ruhe“ rät, ein Freund sagt „unmöglich“ und bietet seine (an Herakles Aufgaben erinnernde) Hilfe an: „Wir kriegen das hin“. Ein dritter Freund, weit weg, reagiert sofort, obgleich von einer anderen Firma, nach zwei Stunden des Bangens und Zitterns, während ein dritter Freund „Wir kriegen das hin“ die Segel glatt hält, schickt die erlösende Nachricht: „Wir haben das für dich gemacht. Und wie geht es dir sonst?“
Spanien ist ein Land, in das man mit der Seele reisen muss. Man kommt andernfalls nie an. Ich sitze mit einem Gin-Tonic auf der Terrasse, Mein Handy dümpelt in einem Riesenloch der Sierra Grazalema, meine Kleidung ist verschwitzt vom Stress der letzten Stunden und ich bin - was? Ja: - glücklich, hier zu sein. Denn nur hier lässt sich erfahren, was heute meinen Tag zu einer Achterbahn gemacht hat: am Ende ist alles gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende.
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