Lissabon
Und dann kam der Rückweg … Santiago in den Bus, der fuhr einen elend langen Tag quer durch Portugal nach Lissabon. Dort sollte eine Bahn nach Faro gehen, die man bei dem Gegurke allerdings verpassen musste. Als wir endlich Lissabon erreichten, war der Zug längst weg. An der Station Seite Rios kaufe ich mir also einen zweiten Fahrschein. Bin ich eben erst um zehn in Faro. Von dort geht es schon weiter, denn eine gute Freundin will mich abholen. Das lasse ich mir gefallen. Doch der Zug kommt nicht. Verspätung sagt die Tafel, fünf Minuten. Dann kommt eine Durchsage, in der mehrfach das Gleis Nummer vier erwähnt wird, auf dem ich stehe. Die Destination Faro kann ich mit sehr viel Mühe aus dem Portugiesisch extrahieren, mehr nicht. Dann kommt die Bahn, doch es ist nicht meine. Da keine Ziele angegeben sind, und auf der Tafel mein Zug angekündigt ist (mit Verspätung von fünf Minuten, die gerade herum sind), steige ich ein, bemerke, dass ich in der S-Bahn bin und gehe zur Tür. Keine Chance, die Anzeigetafel sagt: Faro.
Zwei Stationen später weiß ich nicht, was tun. Ich steige aus und stehe in einem abgewrackten Viertel jenseits des Tajo-Trichters. Sea of Straw. In der Station zunächst Entwarnung: eine Anzeigetafel kündigt meinen Zug nach Faro an, in den nächsten Minuten soll er auf Gleis 1 sein. Ich atme durch und gehe auf Gleis 1, um zu erleben, wie mein IC durchbraust. Unten noch immer die Anzeige, dass der IC nach Faro auf Gleis 1 halten wird. Voll in die Schüssel - denke ich und gucke auf die Uhr. Schnell angerufen: Das wird heute nichts mehr mit Faro. Kurz eine Zigarette einatmen, Herz schlägt ruhig.
Was tun? Herbergen gesucht und tatsächlich eine gefunden. Jetzt musste ich über zwei Kilometer über die Eisenbahnbrücke zurück. Zu Fuß nicht drin. Umweg kostet 2 Stunden. Den Fahrkartenautomaten verstehen, heißt, Fremdsprachen zu lernen. Am Ende ziehe ich einen Schein aus dem Ding und steige in eine Bahn, die mich an der Herberge glatt vorbei fährt. So geht es, bis ich den Bus 751 entdecke, der mich in das verruchteste Viertel bringt, das man sich so auf Anhieb vorstellen kann, wenn man zwei Monate in spanischen Landen unterwegs war.
Die Belohnung allerdings ist perfekt, als ich endlich in der LX-Factory ankomme, einer Abrissfabrik, in der das Leben tobt. Dort drin das Hostel, auf das meine Reservierung passt. Puh, denke ich, Schwein gehabt, aber wie. Roof-Top Lissabon! Mein Arsch, was ein Setting … In der Fabrik wurden, wie man mir sagt, zuletzt in den Achtzigern Drucksachen hergestellt. Die alten Pressen und Maschinen scheinen noch vereinzelt in Gebäuden zu stehen, weil sie zu schwer waren, um sie abzubauen. Nebenan ist ein Chinarestaurant und daneben eine alte Bücherei, im Obergeschoss der Gebäude stehen die Maschinen, weil sie „cool“ aussehen und „heavy“ sind. Ist vielleicht der charmanteste Ort auf der gesamten Reise. Geschlafen wird in Boxen, überaus praktisch für den Zweck, doch nur durch eine Leiter zugänglich, die nicht versteht, was Muskelkater bedeuten kann. Und das Frühstück in der LX-Factory ist wohl das beste, das ich in dieser Zeit hatte.
Zum Abschluss gibt es einen Kaffee auf dem Roof-Top mit Blick auf die mörderische Brücke und den unter uns liegenden Teil der Stadt. Abschluss einer wundersamen Reise. Am nächsten Morgen dann die letzten Kilometer. Gut, ich sitze im Zug nach Faro. Und er fährt. Das beruhigt. Am späten Nachmittag bin ich zurück in Ayamonte und habe einiges zu erzählen. Im Guadiana (Grenzfluß) habe ich meinen Wanderstecken versenkt. Zeichen des Friedens …
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