… fast schon ein Zieleinlauf

Der letzte lange Tag auf dem Camino vor dem kurzen Zieleinlauf morgen, geht gelassen dahin. Wieder haben die vier Krachmacher alle Register gezogen, um die Herberge aus den Betten zu scheuchen. Ich saß auf der Bettkante und wartete ab, bis der Lärm ein Ende nahm, und versuchte dann noch, eine der Mücken zu fangen, die mir nachts die Arme zerstochen hatten. Dann ab ins Café und gefrühstückt. Direkt an der Carretera ist ein Café, in dem man ab halb acht was Heißes bekommt und dazu frische Croissants und Orangensaft direkt aus der Schale. Danach ging ich einfach mal spazieren, bis sich meine Laune aufgebessert hatte. Eine Stunde dauerte das an, und dann war ich schon fast vergnügt. Obwohl es rundum wenig zu sehen gab, verflogen die Kilometer einigermaßen, ab und zu lud ein Café am Weg zum Halt ein. Die Orte reizten nicht besonders, aber es gab genügend von ihnen, zwischendurch Passagen durch Wälder und Äcker. Immer wieder ging es parallel zur Straße, kreuz und quer darüber, oder an ihr entlang. Schließlich bog der Weg in den Wald ab, führte einen Abhang hinunter und auf der Gegenseite wieder hinauf, und die Aussichten wurden spektakulär.

Endlich einmal zählten die Meilensteine zügig runter, wenngleich ich mir keinerlei Mühe gab, Kilometer zu machen. Als der Weg dann richtig steil abwärts ging, wusste ich, dass Puente Ulla näher kam, ein hübscher Ort nur eine Stunde entfernt von der Herberge in Outeiro. Dort hinter der Brücke lud gleich eine Bar zur Rast ein, und die ausgehängten Raciones verführten zur Essenspause. Ein Guiso von Chipirones schien mir am passendsten. Schmeckte phantastisch. Guiso ist Eintopf. In Spanien macht, wie in Deutschland auch, jede Region ihre eigenen Spezialitäten im Bereich der Eintöpfe. Der hier hatte zwei Hauptzutaten: Chipirones sind die kleinen Tintenfische, und Kartoffeln. Wirklich lecker schmeckte der Wein, den man hier aus Porzellanschalen trinkt. Hätte bleiben sollen. Aber es ging auf vier Uhr zu und die Hitze drückte. Alkohol schien mir gefährlich, also ging ich die letzte Stunde bis Outero weiter. Und dort wäre ich beinahe an der Herberge vorbei gerannt.


Ein hohler Baum am Wegrand geschmückt mit Reliquien der Peregrinos, die hier „Heilung“ fanden. Beachte den Windschild eines Motorradfahrers! Was mag er sich wohl dabei gedacht haben?
Auf dem Nachbarplatz ist nämlich das Festgelände, und dort wird gerade eine Fiesta ausgerichtet, die heute Abend steigen soll. Die Hospitalera lächelt aus der Rezeption: Kein Schlaf heute. Dafür Getränke und Essen direkt nebenan. Na, denke ich, das wäre doch nicht nötig gewesen, aber zur Feier des (letzten) Tages lasse ich mir die Fiesta gerne gefallen. 1000 km gelaufen, muss ich jetzt irgendwas wegen einer Unterkunft in Santiago unternehmen.