Illustre Gesellschaft von Laza
Doch der Schlaf verspätete sich in dieser Nacht. Was geschah? Um acht Uhr trafen die Peregrinos nacheinander im Restaurant am Ort ein, um das Menü zu essen. Wir haben: Julio, Immobilienmakler aus Madrid, ich nannte ihn bisher den Sänger, wobei es auch bleiben kann, denn er singt nicht nur gern, sondern beobachtet auch gern Singvögel, von denen es etwa vierzig Arten geben soll, die hier herum heimisch und sonst selten seien. Julio sieht tatsächlich aus, wie man sich Caesar vorstellt, spricht und denkt scheinbar auch so. Ein sympathischer Nachtsänger. Zu seiner Linken sitzt Juri, der aus Italien kommt, genau gesagt Tivoli, und ein Spanisch spricht, das meinem durchaus ebenbürtig ist. Mit ein paar Wein wird das richtig spannend. Sein Nachbar ist Mikele, der ein halbes Dutzend Mal auf dem Camino war, ansonsten Marathon läuft und in Kupfer arbeitet. Er zeigte einige seiner Arbeiten auf Bildern, und gleich wurde es still. Beeindruckend, was der Mailänder schafft. Aber noch beeindruckender ist, wie der Bursche durch die spanische Landschaft rennt. Außerdem ist der Kerl so sympathisch, dass man sofort mit ihm ins Gespräch kommt und nicht mehr hinaus. Dann schließt sich Philipp an, der aus Düsseldorf stammt, sich gerade von seiner Freundin getrennt hat und danach (Reihenfolge scheint wichtig) seinen Job geschmissen hat und nun auf dem Weg ist. Auf meiner linken Seite sitzt Rafa, einer der Wettkämpfer, die ich auch an den folgenden Tagen und vorher schon immer wieder treffe. Rafa pflegt einen zuweilen unterdrückten Witz. Vor allem redet er in der doppelten Geschwindigkeit wie der Rest. Neben ihm wieder haben wir einen Radfahrer, Fran, der aus Plasencia stammt und den Camino in guten zwei Tagen beendet haben wird. Er hat einen niedlichen Akzent und lächelt gern dazu. Außer uns, die wir zusammen sitzen, ist draußen noch ein Pilger, dessen Namen ich nicht nachgefragt habe. Er ist ein ernsthafter Pilger im Gegensatz zu uns eher sportiven. Der Mann hat sich mit dem 40-Jahre alten Rad seiner Mutter auf den Weg nach Santiago gemacht, um für sie stellvertretend den Segen dort einzuholen. Sie ist nämlich schwer krank. Ich sah unterwegs den Radfahrer einen Anstieg am Berg meistern und dachte, das kleine Rädchen zerbricht. Seine Mutter wird es lieben, dass er für sie nach Santiago pilgert. Gut, und wir essen und trinken und sind bald eine kleine Familie. Als es spät wird, naja, ich hatte eben vorher schon diese kleine Bar entdeckt, durch die hindurch man in den Garten geht und dort saßen wir noch bei einem letzten Drink. Um nichts in der Welt möchte ich den Abend missen, so sehr mich das Gewissen quälte, am nächsten Tag der Etappe nicht gewachsen zu sein. Man kann nämlich nicht unbedingt gehen, wie man gerade in Form ist, und da warteten 33,5 harte Kilometer auf die Gesellschaft. Ein Abend wie aus dem Buch.
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