Laza
Ich muss mir das mal aufschreiben: der Sänger heißt Julián oder Julio, wenn ich es richtig verstanden habe. Der Sänger singt, während er seinen Koffer packt. Dann gibt es da noch den Schnarcher, dessen Namen ich noch nicht kenne. Er schläft offenbar heute nicht in Laza. Der Mann hat uns die Nacht über gut unterhalten. Ein Dritter schoss gestern in A Gudiña den Vogel ab. Der Bursche hat sich abends wohl zu viel Alkohol eingefüllt, kam abends im Trupp mit dem kläglichen Rest der Wettläufer um zehn in die Herberge und gegen elf ins Bett, aus dem er nachts heraus fiel, um sich weinend auf dem Boden einzuringeln. Als ich nachsah, ob er den Sturz überlebt hat, schnarchte er fröhlich vor sich hin. Damit sah ich schon die Equipe für die nächsten Stationen komplett, denn nach Gudiña muss man quasi zwangsläufig Laza anlaufen und von dort mit einer weiteren Station nach Orense. Also kaum Spielraum, um den nächtlichen Spektakel neue Facetten hinzu zu fügen. Gut, aber einige sind entweder auf der Strecke geblieben oder mit dem Taxi weiter, denn in der Herberge treffe ich nur die benannten Pilger an. Jetzt warten wir alle darauf, dass die einzige Bar am Platz, die uns mit Abendessen versorgt, ihre Küche öffnet. Das wird um acht Uhr passieren.
Die Etappe sollte angeblich 34,4 km lang sein. Mein Verdacht, dass sie uns Peregrinos schamlos betrügen, scheint sich zu bestätigen. Unterwegs sind in Galizien Meilensteine aufgestellt, die alle fünfhundert Meter die Distanz zu Santiago angeben. Demnach bin ich heute wohl etwas mehr als die versprochenen 34 km gelaufen. Die ersten 25 sind eine Herausforderung an die Willensstärke. Doch kann man auf ihnen kaum umkehren, man müsste sonst nach A Gudiña zurück. Zwischen Ginster und Heidekraut geht es in einer welligen Landschaft ohne nennenswerte menschliche Besiedlung. Man quert einen Ort, in dem verfallene Häuser in Reihe stehen, die wohl aus der Zeit stammen, in der man den Stausee erbaute. Der See liegt praktisch trocken. Rundum hat ein Feuer gewütet. In einem winzigen Ort erfahre ich, dass es gerade vor einer Woche passiert sein soll. Das Terrain riecht nach einem frisch erkalteten Lagerfeuer. Als die Sonne hochkommt, fühlt man sich als Wanderer wie eine Ameise, die sich durch die Asche eines Kartoffelfeuers quält.
Ich erwarte an diesem Tag nichts als den raschen Tod, als As Eiras kommt und dort in der schmalen Gasse, die den Ort ausmacht, Musik aus einem Garten dringt. Die dazugehörige Bar ist ein Hostal, und hätte ich nur den Mut zur Flexibilität, wäre ich gleich da geblieben. Es hätte sich gelohnt. So bleibt nichts als eine Empfehlung für andere, denn nach einem Kaffee ging ich die letzten sechs Kilometer nach Laza hinunter, begleitet vom herrlich frischen Duft der Pinienwälder ringsum. Der Brand hat diesen Teil der Gegend glücklicherweise nicht erreicht.
Am Ortseingang von Laza dann auch prompt die Feuerwehr. Aus der Einsatzzentrale ruft eine Frau mich an, ob ich in die Herberge wollte. Die Herberge steht hier nämlich unter Verwaltung der Kräfte, die gleichzeitig auch die Sicherheit gegen Brände gewährleisten. Zumindest ist das am Wochenende so. Schlüssel ausgehändigt und den Ort erklärt, der mehr oder weniger aus zwei Straßen und den daran anliegenden Häusern besteht. Auch ein Supermarkt gehört dazu, doch der hat, weil Sonntag, geschlossen.
Mehrere schnuckelige Bars spielen die Fußballpartien im Fernsehen ab, doch nur eine taugt zum Essen. Diese öffnet um acht Uhr. Weshalb jetzt alle Peregrinos in der Herberge auf die Essenszeit warten. Sonst lässt sich hier nicht viel tun. Während ich schreibe, fängt neben mir Julio zu singen an. Leider nichts zusammen hängendes, mehr ein melodisches Räuspern. Ich denke, dass der Schlaf heute wie der Gärtner kommt, der abends seine Kartoffeln ausreißt.
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