Im Land des Lächelns
Am Nachmittag fangen meine Beine zu zappeln an. Ich bin schließlich von Plasencia aus mit dem Bus gekommen. Dem Körper fehlt die Anstrengung, die Hitze, die Quälerei im Staub. Also ziehe ich mir die Wanderschuhe an und tappe los den Jerte hinauf bis zum Pueblo namens Jerte, in ein Naturfreibad, um am Ausschank dort einen Tinto de Verano zu trinken. Auf diese Weise gekühlt trete ich auf dem anderen Ufer des Jerte den Rückweg an, treffe zu einem Interpretationszentrum für die Natur und dort auf ein Hinweisschild zu den umliegenden Naturparks. Durch jeden verläuft mindestens eine ausgezeichnete Wanderroute. Ohne langes Zaudern habe ich mich für Los Pilones entschieden und finde mich auf einem Maultierpfad wieder, der stramm den Berg hinauf geht. Kurven- und abwechslungsreich geht es auf die Kaskaden von einem breiten Bachlauf zu. Man sollte nicht versuchen, die Idylle mit Worten zu verhunzen. Je schneller ich aus meinen Klamotten war, umso eher schien sich die Aufforderung des Zimmerschlüssels zu erfüllen: be free!
Ich liege also rücklings auf einem Kieselstein von der Größe eines Doppelbettes, blicke den Faltern zu, die über einem absolut klaren Wasser zwischen granitweißen Hinkelsteinen und Kissen von Binsengras im erfrischenden Gischt der wirbelnden Kaskaden tanzen, als es ganz leicht um eine Schattierung abdunkelt. Blicke um mich und sehe hinter mir Wolken. Tatsächlich haben sich Wolken über den nächsten Gipfel geschoben. Ein Phänomen. Zu meiner linken entdecke ich am Horizont über den Gipfeln zwei gigantische Rauchsäulen. Und beide Eindrücke kommen mir unrealistisch vor. Ich stecke also meine Füße wieder ins Wasser und sehe im Augenwinkel, dass die weisse Wolke grau wird, und die graue schließlich schwarz. Und dann fängt sie an zu flackern wie kaputte Neonröhren. Und die beiden Rauchsäulen nehmen klassisch-antike Gestalt an: sie schrauben sich wie gemeißelte Säulen pielgerade ins Firmament. Mein Verstand versucht aus den Beobachtungen eine Geschichte zu konstruieren, die sich anreichert mit plötzlichem Donner. Ich glaube für einen Moment, dass ein Gewitter da hinten etwas trockenes entzündet haben wird, und mache mich aus dem Staub; einerseits, um nicht nass zu werden, andererseits um nicht zu verbrennen.
So geht es zügig den Bergpfad wieder hinunter, dann einen breiten Weg, der sich leichter gehen lässt, und dann kommen mir Militärfahrzeuge mit Warnlichtern entgegen. Und die Soldaten winken mir, nach Jerte zurück zu kehren. Und das möglichst schnell. Und der Regen setzt ein. Kein starker Regen, nur einer, der den Boden ganz leicht benetzt. Noch etwas später beobachte ich die fleißigen Hummeln, die ihre Wassernäpfchen den Berg hinauf tragen, Hubschrauber vom Feuerlöschdienst. Um sieben Uhr ist es amtlich. Der Kellner der Judería unterrichtet seine Freunde, dass es im Nebental an einem Kreisverkehr Brände gegeben habe. Dort oben sind allerdings keine Straßen, und mein Spanisch reicht nicht, um den Extremeños zu folgen. Vielleicht war es auch nur eine Feuerwehrübung und der Kreisverkehr eine Warteschleife. Was die Sprache angeht, bin ich wirklich aufgeschmissen. Die Jungs scheinen sich einen Spaß daraus zu machen, ihr Castillano mit dem benachbarten Portugiesisch zu mischen, um beides dann in einer Geschwindigkeit zu servieren, die irgendwann dein Gehirn ausschaltet. dann kommen sie mit Englisch, aber das würde nicht mal Queen Victoria verstehen. Man landet also schlussendlich bei einem Lächeln. Kirschblütenweg. Wie konnte ich das nur vergessen? Heute ging ich den Kirschblütenweg im Land des Lächelns.
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