Kälte und Wärme
Hitze, die mich gleich am nächsten Morgen in die Bar zwingt. Endlich habe ich das Schinkenmuseum besichtigt und die örtliche Post, auf dem Markt die angepriesene Wurst gekauft und trockenes Brot. Eine Freundin fragt an, wieviel ich schon gegangen sei. Hundert Kilometer, antworte ich, die mir wie tausend erscheinen. Das Knie wird mit jedem Gin-Tonic besser; mein Seelenheil in Santiago muss warten. Von Stunde zu Stunde scheint der Körper jedoch ein ungeliebtes Kilo zu verlieren. Als wäre es die Hitze, die das Fett zusehends aus dem Körper schmilzt. Meine Zimmerwirtin heißt Belén. Jedesmal, wenn ich sie etwas frage, antwortet sie mit einem Halbsatz: „No te preocupes …“ - mach dir keine Gedanken.
Auch „Que te mata el calor“, ist eine Phrase, die sich festsetzt. Vielleicht wegen des Nachdrucks, mit dem sie ausgesprochen wird. Die Hitze, die tötet dich, sagte Juan-António. Fünfzehn Kilometer auf der Carretera bei dieser Temperatur, „te quema.“ Quemar heißt kochen. Gemeint ist die Situation, in der der Körper sich nicht mehr wehren kann gegen den Anstieg der Temperatur im Inneren. Erinnerung: In Castilblanco maß Victor wegen Covid meine Körpertemperatur: 36,4° - perfekt. Der Organismus kühlt sich selbst. Dann rauchst du, trinkst deinen Gin und fühlst das nächste Grad Wärme kommen. Dein Körper arbeitet gegen die Sonne. Als Gringo nimmst du die Anzeichen nicht ernst. Bewunderung flammt in den Gesichtern der Frauen in der Umgebung auf und du fühlst dich unzerstörbar. Möglicherweise aber sahst du keine Bewunderung sondern das Interesse, das man dem Stier in der Arena entgegen bringt, bevor er unter seinen Leiden zusammen bricht.
Die Siesta in Monestério jedenfalls ist mörderisch. Selbst im Schatten kommt man kaum durch die heißesten Stunden, wenn man mit seinen Kräften nicht zu haushalten lernt. Während der Arbeit als Taxifahrer hörte ich einmal die Geschichte von einem, der selbst Lkw-Fahrer war und Russland durchfuhr. Er war Ostdeutscher. Man hatte eine gläserne Frau konstruiert, durch die alle inneren Organe, Adern, Nerven, Knochen zu sehen waren. Die gläserne Frau war tatsächlich aus Plastik, ein Werkstoff, den der Osten als besonders fortschrittlich ansah. Auch die Trabis wurden aus Plaste gemacht. Die Plaste war das Material der Zukunft in den Siebzigern der DDR. Nun fuhr man diese gläserne Frau aus Plastik zu Ausstellungen in die Sowjetunion und erlitt irgendwo eine Panne, die die Spedition zwang, einen Ölwechsel durchzuführen. Die Temperatur betrug dort minus 60 Grad. Um das Öl aus dem Motor und neues hinein zu bekommen, musste die Maschine weiterlaufen. Es wurde bei laufendem Motor unten die Ablassschraube geöffnet, und während unten die schwarze Brühe heraussickerte, füllte der Compañero oben neues Öl ein. Ich fragte mich bei der Erzählung der Geschichte, wie ein Mensch solche Bedingungen überstehen kann.
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