Weiße Dörfer
In dieser Stimmung liege ich jetzt gerade in Castilblanco auf dem Bett der städtischen Herberge für den Jakobsweg und lasse mir den Nachmittag durch den Kopf gehen. Na, und dann kommen Juan-Antonio und Victor, der Herbergsvater, und regeln die Sache. Es gibt eine Salbe, die zu Hause gemacht wird. Sie besteht hauptsächlich aus einem alkoholischen Extrakt von Rosmarin, den man in der Umgebung sammelt. Diese Salbe massiert Victor ins Knie. Von den nächsten Kilometern werde ich alles, was auf Asphalt verläuft, mit dem Bus zurücklegen. Wie es dahinter weiter geht, wird man sehen. Entspannt geht es in den zweiten Abend. Was am Nachmittag noch war, lässt sich kaum aus den schwül-dunstigen Erinnerungen extrahieren. Dehydriert, wie ich ankam, haben sich meine Gedanken mit Hilfe der autogenen Transformation in einen zähen Klumpen verwandelt, den man sich zusammen mit dem Staub der Straße über Stunden aus der Nase wäscht. Allmählich vermisse ich wieder die Tour de France. Es ist nach Neun, die Temperatur sinkt langsam unter die 32°. Die Hoffnung kehrt zurück. Doch am nächsten Morgen nicht der Bus. Der sollte nämlich um sieben Uhr an der Haltestelle sein. Juan-Antonio und ich warten vergebens, dann fragen wir uns durch die Ortschaft durch, bis jemand uns die Wahrheit über den Busfahrplan eröffnen kann: zum nächsten Ort Almadén fährt nur abends ein Bus.
So lernen wir den Ort kennen. Castilblanco hat eine Kirche, einige Cafés, ein Museum, ein Denkmal. Die Attraktion des Ortes sind die Menschen. Nach dem dritten Café kenne ich die halbe Lebensgeschichte von Juan-Antonio. Als mehrmaliger Jakobsweg-Wanderer hat er seine Erfahrungen mit den asphaltierten Wegstücken gesammelt. 15 km in der Hitze kochen dich, sagt er. Schon innerhalb der Ortschaft verschwinden die Bewohner ab ein Uhr in ihren Häusern und lassen Castilblanco in einen bedrückend wirkenden Siestaschlaf fallen. Draußen muss es derzeit mörderisch sein. Glücklicherweise hat uns Victor in die Herberge eingelassen, um der Sonne zu entfliehen. Die Umgebung lässt zu Fuß keine Ausflüge zu. Siesta lese ich, hätte lateinische Wurzeln. Die sexta hora war auch unter den Römern berüchtigt. Als wir dann schließlich zur richtigen Zeit die richtige Haltestelle gefunden, Rucksäcke gepackt an der Straße stehen und dem Bus winken, fühle ich mich als Feigling.
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