ein echter Eddy
Es gibt Namen, die sind Programm. Manche Namen kann man nicht erfinden. Sie sind geradezu funktionell mit ihrem Eigentümer verbunden wie zum Beispiel Roland, den sie Pornoroland nennen. Pornoroland ist nicht zu erfinden. Er ist eine Attraktion im Disneyland der Soziopathen wie die Wildwasserbahn im Phantasialand.
Wir haben auch so eine Attraktion. mal überlegen, wie man ihn nennen soll! Dabei fällt auf, dass es nicht besser geht, als Eddy zu ihm zu sagen. Eddy ist ein laufendes Unikum. Eine Art geistig-mentaler Dampfmaschine, deren Funktionsweise selbst dem Erfinder nicht einleuchten kann; es sei denn, man verzichtet auf die Sinnfrage. Ein Eddy ist als Phänomen einfach hinreichend. Mehr will dazu nicht gesagt sein.
Eine erste Begegnung
Frau K zu Herrn S: „Das ist Eddy. Eddy ist Geheimagent.“
Eddy: „War!“
Herr S: „War was? Geheimagent? Gibt es sowas?“
Eddy: „Eigentlich Sonderermittler beim BKA. Also, verdeckter Sonderermittler.“
Herr S: „Achso.“
Frau K: „Eddy war bei der Fremdenlegion.“
Herr S: „Bei der Legion? Und wo?“
Eddy: „In Afrika.“
Herr S: „Und wo in Afrika?“
Eddy: „Ich muss mal gerade weg.“
Frau K zu Herrn S: „Der war da stationiert. Deswegen spricht er so gut Französisch.“
Sie ist sehr stolz auf ihren Eddy. Jeder will stolz auf etwas sein, das ist ja auch nicht verkehrt. Man sollte sich bemühen, Eddys Stärken heraus zu finden und sie ihr dann nennen. Dann braucht sie die Geschichten vom Afrikacorps nicht mehr, um sich ihre Träume zu erfüllen. Man sollte einfach mal Zeit vergehen lassen und beobachten, was sich so tut.
Ja. Ein paar Wochen. Ein Jahr vielleicht. Zwei. Drei. Fünfzehn.
Nun, wir wissen, dass der Eddy einen schweren Unfall hatte. Gut, das hätte man sich nach den ersten drei Minuten auch so denken können. Wir wissen allerdings noch nicht, wie es kam, dass sich die beiden am Aufzug in der Psychiatrie kennen lernten. Also, hm, wie sie da beide und warum sie da hin kamen. Ist ja schon ein seltsamer Ort für ein erstes Date. Aber man will nicht indiskret sein. Der Eddy ist, das weiß man nach so langer Zeit, sehr diskret.
Ein Eddy redet nicht gern über sich. Er redet über Autos. Er weiß alles über Autos, nur nicht, wie die Luft in die Reifen kommt und Benzin in den Tank. Das ist das Problem an einem Eddy. Denn der ist erwerbslos. Man muss sich nicht schämen, erwerbslos zu sein. Viele sind erwerbslos, aber wenige scheuen das Arbeitsamt so wie Geheimagenten im Ruhestand. Sie leben von ihrem Ersparten. Sie leben gar nicht schlecht von ihrem Ersparten. Sie kaufen Autos davon.
Naja, und sie verweigern Unterhaltszahlungen für ihre Kinder. Während sie Autos kaufen. Und weil die Autos so teuer erkauft worden sind, so viele darunter haben leiden müssen, dürfen die Autos auch nicht bewegt, nicht verunreinigt, nicht verkratzt und nicht nass werden. Wenn sie nass oder schmutzig werden, kommt Herr Eddy mit der Eisenstange und schlägt jemanden tot.
Das kommt aber selten vor, denn die Einwohner in dem Haus, in dem der Eddy mietfrei wohnen darf, was praktisch ist, weil er sich so Müll-, Gas-, Wasser- und Stromrechnungen gleich mit dem Telefonanschluß und all dem Ärger von Verwaltung, Reinigung und Beschaffung von Hausrat, Werkzeugen und Nahrungsmitteln erspart, also die Einwohner des Hauses wissen, was es bedeutet, wenn eine Taube auf ein Eddyauto scheißt.
Es bedeutet Krieg
Am Nachmittag so gegen zwei und fünfzehn Jahre später klingelt die Polizei an der Tür, um nach dem Herrn mit dem einschlägigen Namen zu fragen. Das ist nichts neues, die grünen Jungs kommen inzwischen öfter mal auf einen Kaffee vorbei, seit der Eddy im Haus residiert, doch diesmal sind sie in förmlicher Mission zu sechst angetreten. Es gilt, das Haus nach Waffen abzusuchen. Schluckauf.
Schluckab. Augen zu und durch. Herr Eddy hat einem Nachbarn angedroht, ihn* zu erschießen. Es ging um eine Auseinandersetzung wegen Steinen auf einem Gemeindeweg, die beim Mähen des Weges in den Rasenmäher kommen könnten. Solche Dinge müssen geklärt sein, das ist seit ewigen Zeiten so. Wozu hat der Mensch schließlich Keulen erfunden? Und wozu, wenn nicht um Keulen zu schnitzen, hat Gott die Bäume gemacht? Und wozu mäht man Traktorpfade, wenn nicht, um dem Nachbarn anschließend eine zu kleben?
Ein Eddy stellt sich diese Fragen nicht. Er handelt. Aber das, und seine Vorbildung als Spion versetzen ihn wiederum auch positiv gesehen als einzigen in die Lage, den wahren Urheber hinter einer nicht enden wollenden Attacke von zerstochenen Reifen, aufgeschnittenen Bremsleitungen und aufgebrochenen Schlössern zu erkennen, die seit seinem Einzug ins Haus die Nachbarschaft terrorisiert, denn Eddy hat ihn gesehen. Der Täter lief die Straße hinunter, war vermummt, hatte eine Kapuze auf, dunkel gekleidet und mittelgroß. Wahrscheinlich ein Mensch. Es war ja auch dunkel.
Nunja, Täteridentifikation klappt nicht immer im ersten Anlauf. Eddy ist dem Übeltäter noch ein Stück nachgelaufen, hat ihn dann aber doch in letzter Sekunde nicht gekriegt. Ich finde, hier zählt die Initiative. Es fehlt so vielen an Initiative im Umgang mit den durchgeknallten Typen dieser Welt. Man schaut so lange zu, schüttelt Köpfe, bis das Aspirin ausgeht, und traut seiner Wahrnehmung nicht über den Weg. Irgendwann steht man selbst an diesem Aufzug in der Psychiatrie und geht die Schilder durch: Hilfe für Angehörige von Zwangspatienten.
Aber so weit muss es nicht kommen. Kann ja auch sein, dass man gleich ganz auf der Strecke bleibt. Das wird auch dem jungen Mann passiert sein, dem man in der Gemeinde die Vorfahrt nahm. Er soll versucht haben, den Täter zu stoppen, hat sich dabei eine eingetretene Tür eingefangen und ein Kennzeichen notiert. Wie es der Teufel will, muss er durch einen Zahlendreher Eddys Nummer aufgeschrieben haben. Denn Eddy saß, als die Polizei eintraf, zu Hause und betrank sich eins. Es war neun Uhr am Morgen. Aber Eddy hat Rücken. Da darf man das. Ein Bierchen auf der Bettkante bei Sonnenaufgang, das ist doch was schönes. Das entspannt.
Den Führerschein hätten sie ihm nicht entziehen dürfen. Denn das Auto ist nicht auf den Eddy zugelassen. Er hat nämlich die Hand gehoben, um sich die Kosten für den Schnickschnack zu sparen, den Kinder heutzutage unbedingt haben müssen, Unterhalt und so. Weil das Auto aber auf Frau K zugelassen ist, muss eine Verschwörung im Gange sein. Woher sonst konnte man wissen, dass Eddy am Steuer seines Wagens gesessen hat, der ja nicht auf ihn zugelassen ist? Noch dazu angetüddelt von Schmerztabletten und einer halben, höchstens drei Flaschen Bier. Kleine. Die meisten gar nicht richtig ausgetrunken.
Tja, das alles sind so Fragen, die man sich stellt, wenn man an den Ernst des Lebens glauben will. Und der Ernst ist ja auch so ein Name. Das ist nicht dein Ernst, mag jemand sagen, und ein anderer wird antworten: Nein, mein Eddy.
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