wake up, NEO
Und dann knackte es in meinem Kopf und ich war wach. Und eine schrille Stimme rief: Er wacht auf, er wacht auf!
Vogelsang nickt wissend, poliert seine Brille und steckt das Tuch wieder weg, setzt die Brille wieder auf, und für einen winzigen Moment kommt es mir vor, als wären seine Augen an der Brille aufgemalt. Die richtigen Augen sind mit gekreuzten Pflastern zugeklebt. Aber das ist natürlich nur eine Illusion. Meine Erinnerung spielt mir hier einen Streich. Sie vermischt da einiges. Nämlich diesen Moment, in dem ich in einem Intensivzimmer aufwache, meine Augen knibbele und in einer Art riesigem Spiegel über mir erkenne, wie sich allmählich ein Auge scharfstellt. Und dabei erkennt, dass das andere mit diesen gekreuzten Pflastern verklebt ist.
Vogelsang sieht dir ziemlich ähnlich, denke ich noch, und erkenne, wie mein einäugiger Blick dahin schweift, woher die Stimme schrillt: Er wacht auf.
Dort führt eine geübte Hand eine Nadel in eine Kanüle, die direkt mit den Venen in meiner Hand verbunden zu sein scheint, und spritzt Vergessen hinein. Vogelsang sitzt wieder mir gegenüber und fragt mich mit seinen Blicken aus. Also den aufgemalten Pupillen auf einer Brille, die regelmäßig geputzt werden will. Woran ich mich erinnere? Dass mich jemand niederschlug und mir versuchte, den Hals aufzuschlitzen. Ich dachte, das wäre ich selbst gewesen, damals in Bayern. Aber dieser Film ist, hm, mir langsam selbst verdächtig. Ich versuche, mir an den Hals zu fassen, doch wollen meine Arme nicht so richtig. Sie scheinen irgendwie fest geschnallt ...
Wo sind Sie? fragt Vogelsang mit meiner Stimme. Psychologen wissen offenbar doch nicht alles. Vogelsang jedenfalls weiß nicht, ob ich weiß, wo ich bin. Recht hat er mit beidem. Ich weiß es nicht. Nur, dass etwas nicht stimmt, wissen wir beiden.
Wo war ich?
Richtig. Auf der Straße. Aber auch hier stimmt was nicht. Denn der Autoreifen ist noch ganz. Und prall mit Luft gefüllt, warmer Brise aus Gummi und Dunst. Der Renault steht neben mir an der Straße wie ein trauriges Vieh. Ein geschundenes trauriges Vieh. Er weiß auch nicht wohin. Autos ist sowas egal. Sie schauen nach vorne, dahin, wo die nächste Tankstelle ist. In unserem Fall Avignon ... richtig.
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