Sauna

Er und ich. Ein echter Zweikampf unter Männern. Das Thermometer? Interessiert nicht. Die Sanduhr? Längst abgelaufen. Er richtet sich auf und fragt: Aufguss gefällig?

Ich blicke rüber und erkenne, wozu die Plastikflasche dient, die dort neben einem Handtuch ruht - wie eine Waffe unter dem Kopfkissen eines Psychopathen. Ich nicke, weil ich freundlich bin. Unwissend, was geschehen wird. Er schraubt die Flasche auf und gießt auf. Der Dampf schlendert um meine Lenden. Temperatur ... ist relativ.

Relativ gelassen betrachtet der Mann den Rest in der Pulle. Ich dachte schon, es wäre Alkohol. Aber wer trinkt in der Sauna, wenn er sich mit dem Inhalt der Flasch gleich in den Tod reissen kann?

Dann rührt er die Pulle um und gibt uns den Rest.

Wir halten durch. Nein, Stalingrad ist ein schlechtes Bild. Schon wegen der Kälte. Und weil ... vielleicht ging es ja damals auch um diese existenziellen Fragen von Mann oder nicht Mann? Sch.., die Geschichte sollte uns lehren. Doch sie tut es nie.

Er gießt auf und äufer. Wir leiden uns zugrunde und denken vielleicht jeder für sich an die Klimakatastrophe und ihre allmächtigen Schöpfer. Oder auch nur: Hey, Flaschenpfand!

Dann der Moment, in dem sich Gott erhebt und einfach geht. Und ich mich frage, warum (ehm, die Sanduhr ist längst abgelaufen) ich nicht auch einfach gehe? Kann nicht. Warum? Keinen Schimmer. Eine Lady betritt den Salon. Als der Herr das Weite sucht.

Das ist selten. In dieser Kabine habe ich - außer den Damen vom Rehasport nie ... ehm - Hallo, und setzt sich hin. Temperatur ist ja sowas von relativ. Ich wüßte nicht, warum ich gehen sollte. Gerade jetzt.

Gerade jetzt sage ich, ohne zu wissen, warum, dass der freundliche Herr von eben, der jetzt unter der Dusche die Reinigung seiner Sünden erfleht, etwas aufgegossen habe. Was? fragt sie. Hm, Kräuter?

Wir schnuppern. Waldkräuter? Sie schnuppert. Ich denke, dass man selten um diese Zeit in dieser Kabine solche Frauen antrifft. Und solche Frauen ... sie jedenfalls ... hält mir eine Kelle unter die Nase. Das Nass aus dem Eimer riecht nach - Nüx. War es das? Nö, sage ich. Bitterer.

Was das wohl sei, gibt sie keine Ruhe. Ich werfe mal einen Blick auf ihren makellosen Körper. Bin sicher, sie hätte dasselbe bereits getan, wäre ein zweiter solcher anwesend. Ach was, wozu sich schämen für all die Schinderei an den Geräten? Jedenfalls das Handtuch ist sauber und wir zwei ... Selten, sage ich, dass hier soviele Leute sind ... und sie blickt mich an.

Feierabend im Fitnessstudio.

Sie gießt auf. Wie das riecht? Keinen Schimmer. Eine zweite Kelle wird gefüllt und dran geschnuppert. Dann reicht sie den Kelch zu mir rüber, und ich kann nur: bitter(?) vermuten. Irgendeine Rinde ... Sie gießt die Probe in die Glut, als sei sie abgestanden und füllt erneut den Becher.

Hier wird mir klar, dass Wissenschaft die weibliche Blüte treibt. Sie will es wissen. Ich selbst rieche noch nichts. Nicht mal das eigene Ableben, das da naht, als sich das Thermometer an die Schmerzgrenze zappelt. Das riecht wie Folter, sage ich. Leichthin.

Leichthin, sage ich mal. Denn es gibt Frauen ...

Ja, die gibt es. Sie wird nun genauer betrachtet. Aber ihr Körper, zusammen gekauert auf dem Brett, erforscht den menschlichen Lebensdrang. Frauen sind härter als Männer. In Situationen wie dieser. Nein, eigentlich nicht.

Noch einmal hält sie mir die Kelle unter die Nase. Was ist das? Und schüttet auf. Ich hätte das mit der Folter nicht sagen sollen. So beim Wort genommen, gibt es kein Zurück. Mir fällt dieses eine Gerät wieder ein, an dem man die Rückenmuskeln trainiert. Vielleicht hat sie mich beobachtet? Wenn du glaubst, des liefe prächtig, dann folgt die Rache auf dem Fuße. Die Hitze wackelt mit den Zehen.

Sie schweigt, wir schweigen. Beide denken wir vielleicht das selbe. Sie gießt auf, gießt auf, gießt auf.

Klasse Frau, denke ich. Morgen vielleicht wieder ...