Schock-Absorber

Motorradfahrer und zuviel Zeit - ist eine brenzlige Situation. Bin gerade beim Reifenwechsel. Und, nun, weil der Winter kömmt, wischt man hier und da was weg und sprüht ein wenig Öl an die Schmierstellen und ... dabei wird mir der Blutdruck schwachweird Halloween 2019. Denn in dieser Tätigkeit, die was duchaus kontemplatives an sich hat, geht mir allmählich auf, weshalb das Bike auf der Autobahn bei hohem Tempo flattert. Also, nicht dass ich nicht inzwischen wüsste, dass der Verkäufer mir vor einigen Jahren eine Unfallmaschine angedreht hat. Daran ließen schon einige andere Reparaturen und Wartungen keinen Zweifel mehr - und das trotz fachmännischem Blick nach dem Kauf in der Vertragswerkstatt. Nein, es sind die Details, die einem kalte Füße machen. Eine fehlende Kontermutter zum Beispiel. Am Stoßdämpfer hinten.

Gut verborgen, kann man davon nicht viel sehen, wenn sie geputzt und gestiefelt in der Werkstatt steht, doch sollte das Dutzend Monteure, das mittlerweile über die Dakar hergefallen ist, solche Dinge eigentlich mit geschultem Blick sofort erkennen. Haben sie nicht. Und ich streife mir die Gummihandschuhe über, um da mal genauer dran zu sehen. Was soll man sagen? Besser hätte ich es gelassen. Tröste mich mit dem Gedanken, dass außer diesem De-Teil alles andere am Fahrwerk schon einmal durch meine Hände ging, womit zumindest Federbeine, Reifen, Wuchtung, Zentrierung, Bremsen, Lenkkopflager und der ganze Rattenschwanz einmal runderneuert und somit zuverlässig ist.

Doch beim Schrauben schrauben auch die Gedanken mit und die fangen an, Gott und seine Engel für ihre tätige Mithilfe zu loben, dass ich noch am Leben bin. Eigentlich, denke ich, dürfte das nicht sein. Und so erklären sich auch zwischenzeitliche Pannen und Pech im sonstigen Lebenslauf, denn das, was ich da unterm Sattel sehe, scheint mir mein Glück doch komplett aufgebraucht zu haben. Kein Sturz trotz allem ist ein Wunder. Und da sind wir beim jüdischen Witz. Wie hieß es so schön beim polnischen Monteur: gegeben a Klopp - 1 Zloty, gewusst wo - 99 Zloty. Das Ding werde ich wohl richten, aber der Schock sitzt, wie ich spüre, sensationell tief. Man kann sich im Leben doch auf nichts und niemanden verlassen. Außer vielleicht auf seine eigenen Hände.