SUV's sind Scheiße
Es könnte eine Fortsetzung zur
Mathematik des Erfolgs darstellen: der Shitstorm, den derzeit die Fahrer von SUV's über sich ergehen lassen (müssen). Zu Recht? Sagen zumindest die einen ... und die einen werden immer mehr. Ich habe keinen SUV und hatte nie einen und fuhr nie einen, und das aus gutem Grund. Doch neuerdings käme ich allmählich ins Schwanken, ob ich nicht einen kaufen sollte. Warum?
Weil die Argumente gegen diese Fahrzeuge so alt sind wie die Entwicklung dieser Schlitten selbst. Wir wussten es von Anfang an. Was mich aber wirklich stutzig macht, ist der Verdacht, dass exakt dieselbe Interessengruppe, die einst diesen Fahrzeugtyp wegen seiner Sicherheitsreserven, Entwicklungspotentiale, seines Lifestyles wegen und der Fähigkeit, Pferdeanhänger damit zu bewegen, über die Wolken lobte, heute die Kehrtwende zu installieren scheint und das Ding an sich verteufelt.
Sagen wir mal so: Wenn eine Modellreihe in die Jahre gekommen ist und man will sie durch eine neue ersetzen, möglicherweise Hybridfahrzeuge, welche Mittel hat so eine Lobby dann? Abwrackprämie hatten wir schon. Sie hat Porsche an die Spitze der deutschen Börse katapultiert und die Absatzzahlen der deutschen Autos nach oben gepuscht. Die Umwelt? Hat darunter gelitten wie nie zuvor. Neufahrzeuge verbessern nicht die globale Umweltbilanz. Einfache Rechnung.
Der Autofahrer wurde immer mit revolutionärer Technik geködert, in Umrüstungen zu investieren. Da ist der Katalysator und die EU-Norm. Auch die hat soviel Material von der Straße gefegt - und in die Entwicklungsländer, wo es noch heute die Umwelt mit CO2 befüllt, wie kaum eine andere (geschäfts?-) politische Maßnahme. Schon bei seiner Entwicklung wies ein Basler Institut nach, dass der Katalysator zur Verbesserung der Umweltbilanz nahezu wirkungslos sei.
Und was war mit dem Feinpartikelfilter? Diesel hieß es seinerzeit, sei der sauberste Kraftstoff, denn hinter dem Partikelfilter käme "reine Atemluft" aus dem Auspuff. Nun, wissen wir es heute wirklich besser? Oder wussten wir es schon damals besser, hatten nur den Wunsch, erst mal unsere Flotten kostenintensiv umzurüsten? Um sie dann genauso kostenintensiv komplett zu verdammen?
Jetzt kommt das Elektroauto. Tankstellennetze werden aus dem Boden gestemmt. Elektro ist sauber und gut für das Gewissen. Aber auch nur solange, bis ein Physiker uns vorrechnet, dass ein reines Elektroauto in einer von fossilen Energien geprägten Stromwirtschaft ein vielfaches von einem konventionellen Benziner (oder Diesel) verbraucht und in die Atmosphäre pumpt? Nur eben nicht durch den Auspuff, sondern in Garzweiler aus dem Schornstein? Von Atomkraft wollen wir hier garnicht reden, denn diese "saubere" Energieform wird - wenn nicht auf uns, dann auf unsere Kinder - wie ein Boomerang zurück kommen, wenn unsere Container mit Aufarbeitungsspaltstoffen irgendwo in Russland durchzurosten beginnen.
Was hat es also wirklich mit unserem periodisch aufwallenden Umweltbewusstsein auf sich? Lassen Sie uns mal emotionslos die These durchspielen, dass Umwelt nicht mehr als ein Werbemodul ist, das die in die Jahre gekommenen Modeaspekte im automobilen Sektor allmählich ersetzen soll. Ist es nicht so, dass ein Fahrzeug heute gesichtslos geworden ist? Warum sollte jemand sich für den Hersteller Soundso und sein Modell Ganzanders entscheiden, wenn alle Fahrzeuge gleichgesichtig sind?
Die Antwort liegt auf der Hand. Der Hersteller hat (und musste) unseren Umweltnerv finden und möglichst genau treffen. Wir kaufen keine Neufahrzeuge, wir kaufen Ablassbriefe. Ein sauber eingestellter Vergaser oder Einspritzer von Anno-Tub ist, rein mathematisch-physikalisch gesehen, je nach Motorisierung sauberer und umweltverträglicher als alles, was in den dreißig Folgejahren an Umweltkarossen produziert worden ist. Sogar die gute alte Ente kann da als erstes Dreiliterauto noch mithalten. Sie ist nur nicht in unserem Bewusstsein. Sie ist bäh.
Wer auf eine Oldi-schau geht und die kleinen, schnuckeligen Gerätschaften ansieht, die seinerzeit vom Band gelaufen sind, und einen modernen Mittelklassewagen danebenstellt, wird verstehen, was gemeint ist: Größe und Gewicht, Motorisierung und Ausstattung haben sich nahezu verdoppelt. Und das gilt für den Kern der Flotte, die ein Hersteller bedient.
Hier noch mal die Fakten:
Eins - Ein Fahrzeug, das doppelt so stark motorisiert ist, verbraucht im Schnitt die doppelte Menge Treibstoff. Einfach zu merkende Formel. Denn der Motor ist kein Energieerzeuger. Er ist eine Umwandlungsmaschine. Der Wirkungsgrad, mit dem das geschieht, wurde schon nahezu schon James Watt erreicht. Er beträgt ein Drittel. Und Punkt. Ein Drittel dessen, was an Energie hineingeht, kommt an den Rädern wieder raus. Umwelt hin oder her, es ist eine eiserne Naturkonstante für Wärmewandlungsprozesse, die wir prinzipiell nicht unterschreiten können.
Zwei - Ein Fahrzeug, das groß und schwer ist, gut ausgestattet und demzufolge stark motorisiert, lässt sich nur bedingt in günstigen Drehzahlbereichen bewegen, denn dort arbeitet es nicht wirtschaftlich. Ottomotoren sind drehzahloptimiert. Sie liefern bei vorgegebenen Drehzahlen die wirtschaftlichsten Ergebnisse. Wer das nicht glaubt, sollte sich mit seinem SUV mal in den Stau stellen und im nahezu niedrigsten Verbrauchsbereich, nämlich dem Leerlauf, den Verbrauch pro hundert Kilometer messen - oder an der Ampel. Es gibt Versuchsreihen, Lkws zehn Minuten lang nur an- und auszuschalten. Ihren Motor also permanent neu zu starten und das über die gesamte Wartezeit. Ergebnis: der Verbrauch ist niedriger, als wenn man sie im Leerlauf dieseln lässt.
Das Experiment mit dem SUV im Leerlaufnahen Niedrigtourenbereich: Verbrauch exorbitant.
Drei - Der Windwiderstand frisst bei höherem Tempo sämtliche Umweltvorteile auf. Jeder Radfahrer kennt das Phänomen: Wenn du mit zwanzig fährst, spürst du kaum den Fahrtwind. Beschleunigst du auf vierzig, fährst du gegen eine Wand. Bei sechzig ist ein vollverkleidetes Moped schon an der Schwelle, seine Energie nur noch in den Wind zu pumpen. Und bei höherem Tempo nimmt der Verlust durch Luftströmung potentiell zu. Will man gut vorankommen und gleichzeitig den Verbrauch im Zaum halten, wird man im gegenwärtigen Verkehrsgeschehen eine Marke von etwa 120 als optimal empfinden. Nur ein Drittel schneller heißt fast doppelt so viel Verbrauch. Ganz unabhängig vom Fahrzeugtyp.
Vier - Der Schadstoffausstoß ist eine kollektive Erfahrung. Auf einem Autobahnabschnitt erzeugen unterschiedlich schnell bewegte Fahrzeuge einen vielfach höheren Ausstoß als gleichmäßig bewegte. Will man ernsthaft Schadstoffe reduzieren, dann ist der erste Hebel das allgemeine Tempolimit. Nebenbei erhöht ein solches auch enorm den Fahrzeugdurchsatz, minimiert also die Reisezeiten für alle Verkehrsteilnehmer. Ein einzelnes Fahrzeug, das sich auf einer durchschnittlich mit Tempo 130 befahrenen Straße / Autobahn mit Tempo 180 durchwurschtelt, behindert hunderte von anderen, zwingt sie zu Tempoänderungen und damit zu erhöhtem Verbrauch. Neben dem eigenen, verdoppelten.
Alle diese Gesichtspunkte treffen auf den SUV besonders zu und wirken sich negativ auf seine Umweltbilanz aus. Leider, und da liegt der Hase im CO2-Pfeffer, trifft das auch auf alle alternativ angepriesenen Umweltlösungen zu, die den SUV ersetzen werden. Und das solange, wie wir an der zunehmenden Motorisierung des Individualverkehrs hängen. Und am Herstellermärchen, das Problem durch veränderte Baureihen in den Griff zu kriegen. Es ist nur Kosmetik. Der SUV ist möglicherweise umweltfreundlicher als ein E-Skater, der völlig sinnlos Energie verpulvert. Und bei diesem Gedanken muss man auch mal das E-Bike betrachten, denn auch das hängt schließlich an der Steckdose.
Insgesamt ein schwieriger Stoff, der einmal mehr verdeutlicht, wie sehr wir von öffentlicher Meinung abhängig sind, die selten von den richtigen Leuten gemacht wird. In Wahrheit, wird Konfusius wohl hierzu sagen, verbrauchen die Meinungsmacher von Twitter und Co. wohl mehr fossile Energien als jeder Motor das kann. Sollen wir also heute dem Nachbarn sagen, dass sein dicker Schlitten nicht mehr zeitgemäß ist? Und ihm den eigenen dicken Schlitten als die Lösung aller Probleme präsentieren? Wenn wir Lobbyisten für die Autoindustrie sind: ja.
Und wenn wir es mit der Umwelt ernst nehmen? Hm...
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