Jedes gute Buch funktioniert so:

Bevor die sensationell einfache, aber nicht gleich auf den ersten Blick erkennbare Methode sichtbar werden kann, durch die nahezu jedes bekannte Werk von Homer bis Shakespeare seine Leser/innen bei der Stange hält, muss man verstehen, was der eigentliche Kniff an der Lektüre ist. Was also hält uns beim Lesen nach dem ersten Satz so magisch am Angelhaken?

Um dieses Mysterium endlich zu lüften, braucht man kein Magier zu sein wie Cervantes Saavedra oder Gabriel Garcia Marquez, es gehört nicht die Witchcraft einer K.C. Rowling dazu, die eigentlich ganz einfache Wirkungsweise eines Blockbusters der Literatur auf Anhieb zu verstehen. Man muss sich nur eine Weisheit vergegenwärtigen, die lauten könnte (in einfachen Worten):

Mach’s spannend!


Nun, das klingt wie eine Binsenweisheit, doch es steckt mehr dahinter, als man denkt. Das Leserinteresse unterscheidet sich nämlich in einem wesentlichen Punkt von der Eigenwahrnehmung im Moment der Unterhaltung durch ein gutes Buch. Es wird gesteuert. Und zwar teilweise durch sehr einfache (wir möchten nicht sagen: unredliche) Tricks.

So ist beispielsweise ein Leser genauso wie eine Leserin häufiger, als er oder sie es denkt, geneigt, sich im Moment aufkeimenden Leseinteresses durch Ankündigungsrhetorik so sehr ermüden zu lassen, dass der Verstand während der Überbrückung zwischen Ankündigung und Erfüllung auf den Dauertonus der seichten Berieselung umschaltet und dann irgendwann nicht mehr merkt wie …

Zapp, (Experten nennen das Cliffhanger): und wach!

Nehmen wir eine Bushaltestelle, an der der Bus pünktlich abfahren soll. Nach einer gewissen Zeit des Wartens wird die Tatsache, dass der Bus nicht pünktlich abfährt und nie pünktlich abfahren wird, zugunsten der Hoffnung verdrängt, dass der Bus, auf den so lange Zeit intensiv hoffend gewartet wurde, das Warten nun wirklich lohnt (denn sonst wäre ja alles Warten umsonst gewesen), weshalb …

Und während ich schon längst vergessen habe, was ich eigentlich erfahren wollte, - hm - Sekundenschlaf des Leseerlebnisses, der zum Träumen anregt. Und was ist es, was wir da träumen? Etwa der Text? Oder vielmehr UNSERE Sehnsüchte?

… weshalb es auch keine Rolle mehr spielt, dass wir am Anfang über die Pünktlichkeit im Busfahrplan belogen wurden, was wiederum dazu führt, dass wir jenen wesentlich schmerzhafteren Gedanken garnicht erst zulassen werden, dass der Bus möglicherweise NIE abfahren wird oder wollte.

Das ist Kunst


… und wie schön die Regentropfen auf das Dach des Haltestellenhäuschens platschen! Man könnte meinen, es wäre einer jener Juniregen im Lande Modor, die Tjenkdost so liebte, wenn er sich am Kaminfeuer in einen Förk verwandelte und … Moment, wo waren wir gerade? Ach, und was genau war noch Mal ein Förk?

Ganz einfach …