Opa's

Ursprünglich war er ja Bauer. Doch dann entdeckte er, dass man mit kopflosen Nägeln ein Vermögen machen kann, und gründete den Betrieb. Es waren jene legendären Gründerjahre, in denen Manufakturen horrende Gewinne machten. Arbeiter erwirtschafteten in nur drei Tagen mehr Lohn, als sie in der Woche ausgeben konnten. Alkohol und Prostitution waren notwendiger Aderlass gegen die fortschrittsbremsende Ansammlung von Vermögenswerten beim einfachen Mann. Es war eine bewegte Zeit.

Doch der Krieg änderte alles. Kopflose Nägel warfen nicht den gewünschten Gewinn ab, so stellte Opa die Produktion auf örlose Nadeln um, entdeckte dann die ungenutzten Potentiale im Welthandel und baute Spiraldochte für Waltranleuchtturmfeuer. Die sich allerdings auch nicht am Markt durchsetzen konnten, weshalb Opa das gewichtslose Senkblei entwarf, eine Art Vorläufer der Laservermessung, allerdings ohne Lichtwellenoptik.

Seine Patente brachten es nie zur Serienreife, und wenn heute jemand im Werksmuseum die alten Schriften einsieht, versteht er kaum noch das Zeichenrepertoire, mit dem Opa seine Entwürfe skizzierte. Etwas mehr als sechstausend Patente hielt Opa bei seinem Tod. Allein der katalytische Mausspreizer für klinische Sezierungen umfasst sechhundert Seiten Patentschrift. Er wurde nie realisiert, wie auch nicht die Weinsteinsägeapparatur aus Ultraschallreplikatoren, der mauerbündige Kleiderschrank und das subarktische Wassermotorrad, der Elefantenfußtransmitter, der dieselgetriebene Mondski und die Erbsenzählmaschine.

Vater führte nach des Großvaters Schlaganfall den Betrieb in mehrfachen Konkurs. Man hatte sich mittlerweile vom materiellen Produktionswillen verabschiedet und bot Finanzierungen und Beratungen an, sowie Ideenentwicklung als Dienstleistung. Mit diesem Portfolio war Papa seiner Zeit so weit voraus, dass die Firma quasi Vorbild für das weltwirtschaftliche Fiasko einer ganzen Epoche werden sollte. Einer Epoche, die erst fünfzig Jahre später begann. Entsprechend entwickelte der Vater auch das Revers-Schuldeninvestment ein halbes Jahrhundert zu früh, eine Art multinationalen Schuldenverkaufssystems mit garantierter Gewinnaussicht durch Steuernachlassverwaltung.

Viele Entwicklungen galten schon zu ihrer Zeit als visionär und daher nur gegen erhebliche Widerstände realisierbar. Folgerichtig besann sich der Sohn nach einigen fruchtlosen Versuchen im Bereich des Fassadenstaubsaugers, der isotopenbasierten Fahrzeuginnenreinigung, einer fehlertoleranten autonomen Raketensteuerung und gewisser elektronischer Utensilien im Maniküresektor schließlich der ureigensten Firmenwerte und entwickelte aus den betrieblichen Erfahrungswerten die negierenden Wirtschaftsprognosemodelle. Seit einigen Jahren ist der Urenkel des Firmengründers in diversen Beratungsgremien für die Regierung aktiv.

Gesten fragte der Ururenkel, warum wir nicht einfach Kartoffeln anbauen. Der Kleine ist so ein Träumer ...