Fronkreisch!!
An der einen Stelle im Wald stehen jedes Jahr zur passenden Zeit ein oder zwei Sommersteinpilze. Das ist hübsch anzusehen und, weil in Straßennähe, nahezu folkloristisch für die Wochenendgäste aus der Stadt. Sie fahren, stelle ich mir vor, schleichend durch das Wiesenmeer, links starren dunkle Wälder, rechts die Rinder ins Auto und dann stösst Erna ihren Heinrich an: Guck, mal, da stehen Pilze, ob man die essen kann?
In einem Film mit Peter Alexander wäre das so. Heute stand dort ein echter Steinpilz, ein Herrenpilz. Herr Pilz hatte etwa die Höhe einer Kaninchenschnauze und entsprechend schon Bissstellen am Hut, aber ganz zahn, eh: zahm. Ich hab ihn mal dort weg geholt. Nicht direkt von der Straße weg, denn der saß wie die Herren von der Muppets-Show auf Loge, aber immerhin doch aus dem direkten Verkehr gezogen. Auf dem Heimweg ging mir Frankreich durch den Kopf und dort dann wieder Crêpes. Zwei Gründe:
Zum einen, weil man Steinpilz am schönsten in der Crêpes-Pfanne bräunt, und zweitens der Sammelei an sich wegen. Nach der Weinernte wurde gern in Frankreich 'auf Pilze gegangen'. Morgens um sechs im Wald streuchten da die Enthusiasten - sich gegenseitig skeptisch beäugend, ob nicht einer eine Flinte* geschultert hätte - durch das Unterholz und rupften Pilze aus dem Boden, um sie anschließend in der Pfanne hinzurichten.
Den zweiten Teil kann man schöner haben, finde ich. Die Sache mit den Flinten allerdings, vermisst man doch ein bisschen. Pilze suchen ohne Risiko ist wie mit Badekappe baden. Von gestern war noch Brot im Haus. Das könnte besser nicht passen. In Frankreich, wenn die Erinnerung nicht trügt, gab es immer Weißbrot, das selten frisch angetroffen wurde, sondern eher in einem überlagerten Aggregatzustand. Ein bißchen so, als hätte man es vor Napoleon in der Holzkiste an der Wand versteckt. Original schmeckte es nur, wenn es NICHT nach Filmbaguette aussah.
Das war der Entschluß, die Pilze auf Crêpes zu essen. Und auch der zweite der anfangs genannten Gründe: es schmeckt. Nach Pilz und nicht nach irgendwas. Zehn Minuten Kochkunst, die an ein chemisches Praktikum erinnern konnten, und der mutige Entschluß, das Ergebnis wie in Bordeaux gelernt, ganz ungewöhnlich anzurichten. Crêpes Allemandes ist eine Darreichungsform für Nutella in Kaufhausgalerien, Crêpes auf Französisch ist eine Speise, die an Baguette, Spargel oder Kaffeesatz serviert gehört. Also da, wo man sie nie vermutet.
Doch die Krönung der blühenden Erinnerungen bildete immer die Getränkeauswahl. Ein Mittagessen ohne Wein wäre so verrückt wie ein Frühstück ohne Milchkaffee. Man muss ihn ja nicht trinken. Er muss aber auf dem Tisch stehen. Die Milch im Kaffee so selbstverständlich, dass die Franzosen, die ich kannte, niemals Café au lait über die Lippen gebracht hätten, jedenfalls nicht verbal.
Und da komme ich zum Ende, nämlich dem, was mich so richtig beeindruckt hat - damals in der Lande bei den Weinernten, als es in der großen Nation noch eine eigene Währung gab, eine eigene Sprache und eigenes Essen - was mich am meisten beeindruckt hat, war die Gewohnheit meines Onkels, Wein aufs Feld mit zu nehmen, für die Kaffeepause. Er mischte den schweren Roten mit einem Kaffee und, nach Bedarf, Wasser auf.
Wir sprechen hier nicht über Vin de Pays de Ziegenstall, es war Sauvignon und Merlot von besten Qualitäten. Der Kaffee war hoffentlich Arabica, aber alles ist denkbar. Der Franzose ist ein Meister der Kombination. Jedenfalls in meiner Erinnerung. Crêpes also mit Weißbrot von gestern und Wein - zum Frühstück. Dazu ein japanischer Samuraifilm.
Ich liebe Frankreich
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