Biss dann mal - 2:17

Sirus war so ein toller Typ. Der beste im Team. Er lief wie kein anderer. Auf dem Rasen. Doch spielte er grundsätzlich nur nachts, was Chloë-Jean Fontanelle hätte stutzig machen müssen. Sie hatte sich so auf den Auftritt bei den Cheerleadern gefreut, die Sprünge und Würfe so oft heimlich in der alten Scheune von Grandma Venice geübt, und jetzt das: am Abend vor dem großen Auftritt hatte sie sich den Fuß verstaucht. Allein mit einem guten Buch von Steffi Niederzahn, in deren Reihe Biss am Abgrund, Biss Dass und Bisse Blöd? Chloë-Jeans gesamte Jahrgangsstufe (ausser Harry, dem Pisser: Piss zum Abschied) vorkommt, allein mit einem guten Buch versuchte Chloë-Jean sich die Trauer um die verpatzte Gelegenheit zu vertreiben - schließlich war es nicht ihre Schuld gewesen, dass sie vom Reck geflogen war, sondern die Schuld von Macy-Anne (vielleicht sogar Absicht? Denn Macy-Anne stand auf Sirus, seit er vor zwei Jahren auf dem Schulball angekündigt hatte, zum College zu gehen und Science zu studieren, Science Studies in Overall Life Experience oder so …) - sich die Trauer um die verpatzte Gelegenheit zu vertreiben, endlich einmal mit Sirus Auge in Auge … da quietschte die alte Scheunentür und wer stand vor ihr? Chloë-Jean konnte die Überraschung kaum fassen. In der Aufregung vergaß sie zu atmen und versteckte eilig das Buch in ihrer Sporttasche, in der noch das verschwitzte T-Shirt vom Unfall lag - und ihr Sportslip. Hoffentlich, dachte sie, merkt er nichts. Sirus schloss, sorgfältig nach Verfolgern spähend, das Scheunentor und trat dann rückwärts Schritt um Schritt auf Chloë-Jean zu, als spürte er nicht ihre Anwesenheit durch und durch. Das passiert mir immer, dachte Chloë-Jean, ich begegne meinem Traummann, und er bemerkt nicht einmal, dass ich da bin. Doch Sirus hatte sie bemerkt. Er nahm nichts anderes mehr wahr, nur lenkte ihn etwas so sehr ab, dass er Chloë-Jean kaum seine Aufmerksamkeit widmen konnte. Draußen musste etwas vorgegangen sein, etwas, das die ganze Aufmerksamkeit ihres Helden zu fesseln schien. Sirus horchte in die Dunkelheit, wie ein Nachttier, das gewohnt ist, mit den Ohren zu sehen und mit sicherem Instinkt seine Beute findet. Draußen heulte ein Wolf. Oder eine Krankenpflegerin. Nach einer Weile wandte Sirus sich von den seltsamen Geräuschen in der Stille der Nacht ab und barsch Chloë-Jean zu. Er flüsterte: Ich wollte es dir schon lange sagen. Ich bin zweitausend Jahre alt. Chloë-Jean bemerkte erst jetzt, dass sie noch ihr kurzes Cheerleader-Röckchen trug und darunter ... Sirus räusperte sich: Ahm, nicht zweitausend, zwei-und-siebzig, zweiundSIEBZIG Jahre alt, das vergesse ich immer. Chloë-Jean federte auf die Beine, nahm sein Gesicht in ihre heißen Hände und schüttelte abwehrend den Kopf: Ich bin fast siebzehn, aber beißen darfst du mich trotzdem. Zwei Monate noch bis Siebzehn. Na, so ein Zufall, antwortete Sirus weise: es ist zwei Uhr siebzehn. Auf den Schlag. Das kann kein Zufall sein! wusste Chloë-Jean. Und Sirus gab ihr Recht: Es gibt keine Zufälle, da wo ich her komme.