ALLöF WIRD GUT - the key
Meine Haustür kann man auf zwei Arten öffnen. Hardwaremode geht über Schlüssel. Und dann gibt es da noch das Codeschloss. Richtig verstanden: mit Schlüssel umgeht man den Code, und mit Code erspart man sich den Schlüssel. Eine doppelt redundante Öffnungsgarantie für den, der einen Schlüssel hat oder einen Code oder beides. Das mit dem Schlüssel ist ja nun so eine Sache. Und weil ich weiß, dass das mit dem Schlüssel so eine Sache ist, habe ich einen zweiten an sicherer Stelle hinterlegt. Schlau, wie ich bin, an einer Stelle, die man nicht so leicht finden wird, nämlich im Blumentopf. Darin steht ein Feigenkaktus von beeindruckenden Ausmaßen und dem Grad an Bestachelung, der mich selbst schon beim Betreten und Verlassen der Wohnung vorsichtshalber auf die andere Seite der Treppe treibt. In den Sommermonaten, wenn die Pflanze schön knusprig ist, eine der spröden Dornen zu streifen, kommt dem Verlust eines Körperteils gleich. Ein ausgesucht gutes Versteck. Der Schlüssel steckt heute irgendwo im Wurzelballen in einer Tiefe fest, die vor zehn Jahren einmal die damalige Topfgröße ausgemacht hat. Nach dem dritten Umzug in größeres und frostsichereres Terrakotta also irgendwo mitten drin. Ich habe ihn nie gebraucht.
Plan ⟩B⟨ tangiert die Erfolgsgeschichte der Kryptotechnik, denn mein Hauswirt arbeitet in der Branche. Als er das Codeschloss installierte, vergab er einen vierstelligen Code, der sich leicht merken lässt. Unweigerlich fällt mir dazu Simon ein und drei Kombinationen, mit denen ich mein Glück versuchen könnte. Jetzt ist es nur so: diese Kombination zählt laut Hauseigentümer nacheinander die ersten vier Primzahlen auf. 2-3-5-7 tippte er seinerzeit ein, als er mir das Schloss und seine Tücken erklärte. Dann probierte er 1-2-3-5, dann verlor er seine gute Laune, sein Lächeln und am Ende die Geduld. Und wir griffen wieder auf die gute alte Festkörpermethode zurück. Das Codeschloss hat seitdem keiner mehr angerührt. Zur Zeit arbeitet das Max Planck Institut noch an einer Lösung, denn den achtstelligen Mastercode zum Entsperren hat mein mathematisch promovierter Wirt mit Fibonacci-Zahlen belegt. Ich kann also selbst Mathematik studieren oder ein Dornenbad nehmen, um auf die andere Seite der Tür zu kommen. Plan ⟩C⟨, der Einbruch über den Balkon, erscheint mir angesichts meines kriminellen Vorlebens heute als zu riskant. Ich tippe 6-6-6-6 ein, probiere 8-8-8-8 und bei 1-2-3-4 öffnet sich die Tür. Blindcode: Ihre Einstellungen konnten nicht übernommen werden. Vor zwölf Jahren den changemode falsch bedient. Hightech in der freien Wildbahn. Man muss nicht in Mathe promovieren, um eine Betriebsanleitung lesen zu können. Umgekehrt muss man auch keine Betriebsanleitungen lesen, um einen Doktor in Mathe zu kriegen.
-- Fortsetzung folgt --
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