Hieroglyphen
Als Carter 1925 den Totenschrein von Tut Ench Amun abbaute – immerhin ein massives Möbelstück von ungefähr den Ausmaßen einer damaligen Garage – ärgerte er sich über die Tatsache, dass der Schrein vom letzten Umzugsunternehmen falsch zusammen gebaut worden war. Dieser Umzug könnte einige tausend Jahre vor ihm stattgefunden haben. Die Teile, aus denen der Schrein zusammen gesetzt war, trugen Beschriftungen, die man offenbar schon in antiker Zeit falsch gelesen hatte.
Mir kommt bei dieser Geschichte die Frage in den Sinn, wie alt eigentlich das schwedische Möbelhaus ist, was sie so an Pyramiden und Königsgräbern im Programm haben, und welcher Teil ihrer hieroglyphischen Aufbauanleitungen tatsächlich Altägyptisch ist.
Der wirklich interessante Aspekt an der Geschichte ist allerdings die Frage, warum die balsamierten Toten mit samt ihrer Habe überhaupt erst umgezogen sind. Und das steht hier: Götter, Gräber und Gelehrte. Das populärwissenschaftliche Meisterwerk zur Archäologie. Von 1949. Es ist ja auch nicht mehr ganz taufrisch, gut bekannt und trotzdem immer wieder ein heißer Tip. Ich habe gleich zwei antiquarische Ausgaben. Sie sind in etwa auch gleich spannend. Die eine hat mehr Staub angesetzt, dafür ist die andere bunter.
Die Verursacher der häufigen Wohnungswechsel, die Grabräuberdynastien sind dort namentlich genannt. Und eine Reihe anderer Anekdoten, die aus einer Zeit stammen, als Geschichte noch hauptsächlich in Anekdoten erzählt wurde. Wie zum Beispiel die von den Kindern, die nach dem zweiten Krieg in Bonbons pro Stück bezahlt wurden, um die im Osten verstreute Antikensammlung wieder zusammen zu bringen, was dazu führte, dass ganzes zerschlagen wurde, um mehrere Teile daraus zu machen, was größere Bonbonlöhne ergab.
Diese Grabräuber sollen deutsche und polnische Kinder gewesen sein. Wahrscheinlich war Ägypten für sie eine haptische Erfahrung und eine lukullische dazu. (Die berühmte Tafel Schokolade, die nach dem Krieg zu Weihnachten in Dutzende Teile zerbrochen wurde, damit alle Kinder ... schön brav sind. Für alle Zeiten).
Die Mumien jedenfalls scheint man auch stückweise verkauft zu haben, und das schon in altvorderer Zeit, denn es gab sie wie Sand am Meer, und ihnen wurden Heilkräfte zugeschrieben. Wir lesen von antiken Fingernägeln in Pechsud. Sicher auch eine lukullische Spezialität, aber wohl eher nicht für jedermann und kleine Kinder.
Als man Tut Ench ausgepackt hatte, entstanden wohl auch gleich die ersten Zombiefilme. Nunja, ich fand schon immer, dass er selbst das unansehnlichste an seinem Grabinhalt gewesen ist. Aber das ist wohl Geschmacksache. Archäologie ist spannend, am besten in der Verfilmung mit Sir Peter Ustinov.
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