ALLöF WIRD GUT - Grün ist die Hoffnung
Am Nachmittag ist Hana Kattrin schließlich da. Eine robuste Mischung aus Marketingassistentin und Kleintierveterinär, würde ich sagen. Nicht blond, nicht braun, nicht rötlich, markantes Kinn unter einer konturlosen Nase, die Augen praktisch, aber nicht schlau, unsichtbare Ohren und ein breiter Hals, der schmucklos aus einem runden Ausschnitt wächst. Das Kleid casual trotz petrolgrünem Grundton, könnte auch an unserer Kanzlerin hängen, soweit die Größe stimmt. Etwas reserviertes mit viel Herz im engen Kreis von Freunden, die sich wahrscheinlich nur in Workshops treffen und einmal im Jahr nach dem Yoga auf einer U30-Party zur Hollunderbionade hemmungslos die Sau rauslassen. Der Typus, den man auch gut mit einer Scheibe Käse in der Hand hinter der Bioladentheke erwartet.
Aufgeräumt und munitioniert mit Papieren sitzt sie mir in der Verhörzelle gegenüber, in der ich nachts meine Leviten gelesen bekam; oder einer bauartgleichen, in der in identischer Entfernung zwischen Tischbein und Wand jemand einen runden Abdruck in den Filzteppich graviert hat. Vermutlich hat dort mal ein Galgen gestanden oder ein Papierkorb mit Hafterleichterungsanträgen. Ich genieße trotz anfänglicher Fremdheit die heilsame Begegnung mit einem Menschen, der nicht in Handschellen hereingeführt wurde. Neuerdings bewundere ich auch jeden Gegenstand, der nicht grün angestrichen oder am Boden festgeschraubt ist, als ein Fanal für die kulturellen Werte, Menschenrechte und Demokratie, die draußen auf Entdeckung warten. Jetzt, wo ich in der Einkehr meiner Abgeschiedenheit von der Welt den wahren Reichtum des Banalen erkannt zu haben glaube, weiß ich das alles erst zu schätzen. Blau zum Beispiel ist auch eine schöne Farbe oder Gelb. Sehr selten hier drin. Umso edler Plüschrosa oder Schrillpink. Ah, die Welt wartet auf die Entdeckung der Farbe!
Abgebrochene Schlüssel, verschlossene Türen, vertrocknete Pflanzen und praktischer Lack. Die Vorstellung, dass man sich rasant entwickelt, liegt in einem Trugschluss begründet. Tatsächlich hört man nur auf, das Unbekannte zu Bekanntem zu machen, weil man innerlich diesen Anspruch aufgegeben hat. Außer dem Grün an den Wänden rauscht mittlerweile alles an mir vorbei, als würde es im Fernsehen gezeigt, während ich die Chipstüte öffne. Die Anwältin passt sich bei genauerem Hinsehen sehr viel widerstandsloser in die Umgebung ein als ich selbst. Man kann der Welt nicht nachhaltiger das Organische rauben, als wenn man es kopiert und auf leblose Objekte druckt. Grüne Punkte auf Abfallbehälter zum Beispiel. Ein Handstreich gegen das Leben auf dem ganzen Planeten und bald schon möglicherweise darüber hinaus. Wenn wir grüne Raketen mit Atommüll in fremde Umlaufbahnen schießen.
Grün ist die Farbe der Hoffnung, was mich den Künstlern zu Dank verpflichtet, die diese Installation entworfen haben. Ich wäre sonst als Summe der mir aufgezwungenen Exerzitien kopfüber aus dem Fenster gesprungen, als ich Safi Raid auf dem Aktenumschlag in Hana Kattrins Händen las. Jedoch, kein Fenster. Das Pech ist ein ausdauernder Hetzjäger. Ich gebe mich geschlagen und knalle meine Stirn auf den Tisch. Sofort fällt mir eine Erklärung für den Abdruck am Fußboden ein. Knastkoller bedeutet Schizophrenie. Und die muss man irgendwie in den Griff kriegen. Die Spaltung der Persönlichkeiten. In den einen, der nicht alle Tassen im Schrank hat, und den anderen, der sich dessen auch noch bewusst ist. »Ich - bin - nicht - Safi Raid!« sage ich zur Begrüßung.
-- Fortsetzung folgt --
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