Philosphische Zerknirschung
Die Tastatur knistert, wenn man sie bedient. Tasten A-S-W-Q-E, da oben links ist der gesamte Quadrant verseucht. Jemand hat dort etwas reingekrümelt. Jetzt stellt sich die Frage, ob man wie bei einem Getriebeschaden darauf warten soll, bis die kaputten Zähnchen eines Planetenrades fein zermahlen mit dem Öl wieder ausgeschieden werden können. Oder umgekehrt wie mit der Steuergesetzgebung immer dann, wenn es in den Tiefen knirscht, die Oberfläche zu polieren ist und ein paar Entlastungstasten zusätzlich implementiert werden sollten: AA-SS-WW-QQ-EE (alternatives).
Man könnte auch - Strategie 3 - die b_troff_n_n T__t_n _inf_ch umg_h_n. (alternatives:) Man könnte auch die bEEtroffEEnEEn TAAstEEn EEinfAAch umgEEhEEn. Ich bin für Lösungsweg 1. Doch bevor allzu großer Schaden entsteht (habe heute einen Beinahe-Verkehrsunfall geträumt), schalte ich die Tastatur mal kurz aus, drehe sie auf den Kopf und wackele an den Knöppen. Da fällt schon ne Menge Körniges heraus. Also scheint es doch einen alternativen Lösungsweg 4 zum Strategienbündel von oben zu geben. Nennen wir ihn den intuitiven Weg.
Ach so und dann Strategie 5: einfach gar nichts tun. Immer bewährt. Doch läuft das auf einen nutzlos werdenden Computer hinaus, voll gepackt mit Texten wie diesem. Und dann - Strategie 6 - möglicherweise zur Entlastung der Freizeitkomponente eine ausgedehnte Motorradtour. Sagen wir nach Afrika.
Man merkt, ich habe mal wieder ein Philosophiebuch gelesen. Die Macht des Unbewussten und ihre Grenzen. Oder anders zusammen gefasst: die Macht des Unbewussten. Und ihre, der Philosophie Grenzen. Die Philosophie war ja schon immer eine Schwäche im Portfolio meiner (gymnasialen) Stärken (also quasi antik). Das Ganze allerdings reichte lediglich so weit, bis wir im Studium der Mathematik formale Logik paukten. Genau gesagt in der Algebra. Al-Gebr: Wiederherstellen und Vergleichen?? So soll es heißen.
Eine formale Relation zum Beispiel, die wir wenn-dann nennen oder Kausalbeziehung, ist ein tückisches Ding in der Philosophie. In der Mathematik kriegt man sie nach guter alter Mathematikermanier in den Griff, indem man sie mit einer simplen Tabelle aus Wahrheitswerten erschlägt. Tot kann man sie dann sezieren und findet heraus, dass es Zeit in dem gefährlichen Gebilde gar nicht gibt.
Wenn-Dann: ⇒
Wenn A, Dann B - sagt Mathematikus. Wenn es regnet, ist die Straße nass, macht Philosophikus daraus. Und beide beginnen zu forschen, was dann passiert, wenn es zum Beispiel nicht regnet. Der Philosoph verweist auf trockene Straßen, die allerdings durch Rasensprenkler gewässert werden. Es könne auch sein, dass sie anderweitig nass werden, zum Beispiel wenn jemand nicht die Toilette benutzt. Jedenfalls ist die trockene Straße kein hinreichendes Indiz ... oder doch? Moment, denn jetzt ist plötzlich sprachlich alles wieder andersrum.
Jetzt stellt sich nämlich die Frage, ob es regnet oder nicht, wenn die Straße nass ist oder nicht. Und schon kommt der Philosoph ins Schwimmen, denn es könnte ja auch Hochwasser sein und der Regen wäre zwar da aber anderswo und überhaupts. Der Mathematiker allerdings ist schon lange fertig. Er hat die Relation mit Hilfe seiner Wahrheitstabelle umgebaut und dabei gefunden, dass der Ausdruck A⇒B äquivalent ist (also gleichbedeutend) mit jenem ¬(A ∧ ¬B). Philosophisch: Regen und trockene Straße kommt nicht gleichzeitig vor.
Da ist sie, die Grenze der Philosophie. Denn jetzt wird es wörtlich - und damit falsch. Denn Regen und trockene Straße kommt gleichzeitig vor. Weil eben JEDE Aussage in dem Moment, wo sie konkretisiert wird, nicht mehr mathematisch, also genau ist. Schon A und B als Platzhalter sind verdächtig, denn das hier: A⇒B könnte der Philologe auch mutwillig so deuten (ausformulieren): Wer A sagt, muss auch B sagen. Wäre es also besser, andere Platzhalter zu benutzen wie W und C?
Philosophie macht keinen Spass.
Denn sie ist formallogisch so ungenau, dass man alles be- oder widerlegen kann. Und das las ich jüngst. Warum denke ich an Einstein, wenn ich das schreibe? Und warum an Galilei? Und warum an die Quantenmechanik? Vor allem an sie? Vielleicht deshalb, weil die letztere ihre eigene Unschärfe bereits erkannte und die Philosophie eben nicht. Vielleicht auch deshalb, weil jede der unbequemen Theorien in der Wissenschaftsgeschichte mindestens einen Großmeister der Scholastik hinterm Ofen hervor rief, der sich dann in endlosen Traktaten der Aufgabe widmete, dezidiert die Ketzerei seiner modernistischen Kollegen zu widerlegen.
Die Behauptung, es gäbe keinen Weihnachtsmann, wird von weiten Teilen der modernen Wissenschaft geradezu einmütig angenommen. Doch ist die Zustimmung eines weiten Teils einer sich als modern und aufgeschlossen empfindenden Autorenschaft auch gleichzeitig schon richtig? Nun, das wollen wir im folgenden Abschnitt klären, bevor wir uns auf die Folgen dieses Fehlurteils stürzen. So in etwa könnte die Standardeinleitung eines philosophischen Kapitels lauten, die dann weiter geht:
Der japano-amerikanische Philosoph Ytagati stellte zusammen mit seiner Kollegin Hatatai 1971 in der Science ein Experiment vor, in dem das populärste Argument gegen den Weihnachtsmann untersucht wurde: woher kämen sonst die Geschenke. Als Antwort erhielt er in signifikanten 99% aller Fälle die Aussage: von den Eltern. Diese Einschätzung bewertet er nicht ganz publikumsunwirksam als Beleg für die Unwirksamkeit des Weihnachtsmannes. Nun hat sich Ytagati allerdings nie die Frage gestellt, wer einem Waisenkind die Geschenke bringt, und damit bricht seine wissenschaftliche Studie komplett zusammen.
Entschuldigung bei allen Waisen, aber es musste sein. Denn die formale Logik dieses Weihnachtsmannbeweises ist einfach zu sofistisch, als dass man sie anders als anschaulich ... fassungslos betrachten könnte. Wenn kein Weihnachtsmann, dann keine Geschenke, ist nach philosophischer Ansicht hiermit bewiesen. 369 Seiten davon, nebst 150 Seiten Quellennachweise, und die Philosophie ist mir auch für die nächsten hundert Jahre verhagelt.
Doch zurück zum Tastaturproblem. Wenn man nur genügend in die Tasten haut - siehe da - gehen sie wieder.
‰