U + E = Ü...(berflüssig)
Die U und E – Debatte hat ein bisschen was vom Jahrhundertwende-Salonkommunismus. Oder sollte man übergreifend gleich von der Sozialökonomie des 19. Jahrhunderts sprechen? Denn vor dem Versuch, die akademischen Thesen der großen Sozialökonomen in die Hände der Bauern- und Arbeiterklasse zu geben / nehmen, dürfte Kommunismus noch nicht das böse K-Wort gewesen sein, genauso wenig wie an-Archie zu hellenistischer Zeit mit Pflastersteinen in Verbindung stand. Kommunismus ist ursprünglich einfach nur mal ein Wort für den Idealgedanken, dass Menschen volkswirtschaftlich zusammen arbeiten könnten.
Was passiert, wenn man mit Gewalt die einen hindert, sich eine Fettleber zu züchten auf Kosten der anderen, die ein verlaustes, zahnloses Dasein an den Feuertonnen der Bronx zu fristen haben, ist hinlänglich bekannt. Die Fettlebern benennen sich in Zentralkomitee um und die Zahnlosen wandern in den Gulag. Die Hackordnung bleibt.
Sozialökonomisch gesehen ist dieser Zustand überaus stabil, doch auch ohne moralische ‘Neben’-aspekte nicht wünschenswert, denn beide Wirtschaftsmodelle wirtschaften die Ökonomie rapide zu Grunde. Und den Menschen vorneweg oder hintennach. Von Menschenrechten, Völkerrechten etc. ganz zu schweigen. Am Ende steht ein thermogeoglobal von Atom- und Wirtschaftswaffen, nationalen und multinationalen Interessenskämpfen überhitzter Planet, auf dem die Kinder, wenn sie geboren werden, bereits chancenlos und überschuldet sind. So etwas in der Art hat Marx erkannt.
Doch erkennen und handeln, sind zweierlei. Auch der französische Absolutismus, und damit der europäische insgesamt, hat sich nicht aus eigenem Entschluss und tiefer Verantwortlichkeit heraus souverän vom Volk verabschiedet. Wenn heute jemand bewundernd die Frage stellt, wo das Geheimnis eines Napoleon in seiner Schlachtordnung lag oder das eines Alexander, sollte man die Militärstrategen schnell nach Hause schicken. Die Masse, gewöhnlich dumm wie Brot, hat doch immer ein untrügliches Gefühl, wem sie denn nun gehören will. Ob einem persischen Potentaten oder der hellenistischen Aufklärung, ob muffigem Adel in Sommerresidenzen oder denen, die Rosen am Revers tragen. Sobald Castel Gandolfo und Camp David zur Militärfestung ausgebaut sind, wächst die Macht der Napoleone, sie zu überrennen. Wo ist da das Geheimnis?
Und was hat das alles mit E und U zu tun? Und E und U mit i und e? Also imprint und eBook?
Revolutionen sind ja nicht immer politischer Natur. Oder anders herum: auch technische Revolutionen können soziale, ökonomische und politische Folgen haben. Man denke an die Evangelische Kirche und Gutenbergs Buchdruck! Nennen wir E und U mal spaßeshalber ‘Der König und sein Narr’, dann ist die Rebellion vielleicht schon untergründig spürbar. Vielleicht merkt man schon, wie es in den Massen brodelt und kocht. Vielleicht versteht man, warum die hohen Literaten sich auf wackeligen Rössern wähnen, wenn die Verlage wackeln, mithin auch ihre eigenen Residenzen. Das eBook kommt und mit ihm eine erneute Welle gegenseitiger Empörung über U und über E. Endlich sollen die Gräben zugeschüttet werden, die zwischen ernsten und unterhaltenden Autoren klaffen, auch und vor allem in der Genreliteratur.
Ti-ja! Man muss sich nur noch einig werden, wer (von beiden) sie zuzuschütten hat. Dabei stellt sich die Frage, wer sie überhaupt erst gräbt.
Manchmal frage ich mich, warum jemand ums Verrecken nicht unterhaltsam sein will, wenn er Bücher schreibt. Oder umgekehrt: warum will jemand Bücher schreiben, die nicht unterhalten? Und dann noch – bäh – aus seiner Aversion gegen das Amüsement des Lesers einen Sport machen, in dem es Trophäen zu gewinnen geben soll, die dem gewöhnlichen Wald- und Wiesenschreiber unerreichbar bleiben sollen. E-Lit hört sich ja auch ein wenig nach elitärem Dünkel an. U ist dann die Literatur für Uschi. Oder geht es hier wie eigentlich immer um die Verteilung von sicheren Einnahmequellen? Also Förderpreisen, Lesungen im akademischen Ambiente, gebundenen Werkausgaben? Und wie es ist um die andere Grabenseite bestellt? Da wo ängstlich fast schon vermieden werden soll, einen ernsthaften Gedanken in den Text zu pflanzen, fast als könnte dieser den gesamten Brei verderben, wenn man mal ein Komma richtig setzt.
Zurück zur Politik, wo die Schreihälse auf beiden Seiten doch letztlich nichts anderes im Blick haben als den Chefsessel, gleichgültig, in welcher Farbe das Polster bezogen ist, ob rot, braun oder schwarz, in Trikolore, uniform oder mit Sternchen und Streifen drauf, Hauptsache Sessel, Hauptsache im allerobersten Stock, Hauptsache Chef, Chefsache Haupt. Da streiten erbittert Menschen über die Sinnlosigkeit von Gräben, über die hinweg sie ihre Munition verballern, und erwecken damit den Eindruck, es ginge ihnen nicht darum, den Zwist an sich zu eliminieren, sondern die Distanz für ihr Heckenschießen zu verringern. Kann ein Autor, der gegen die Trennung von U und E – Lit kämpft, nicht einfach beides schreiben? Und das in einem Buch? Und den restlichen Kokolores der literaturwissenschaftlichen Nachbetrachtung schenken?
Offenbar nicht, denn bei aller Liebe für alle Liebe, scheint es doch fast Pflicht zu sein, sich zu einem der frontmachenden Blöcke zu bekennen. Entweder Selbstverständlichkeit heischend das E auf das Krokodil am Poloshirt zu sticken (sprich: im schwarzen Anzug zur Lesung zu eilen) oder klassenbewußt das ehrliche U auf dem Ärmel zu tragen wie die drei Punkte auf gelbem Grund und das stolze: Mir ist nicht zu helfen im Gesicht. Ich bin wie ich bin, nämlich ein saudummer Bestsellerautor. Tut das Not? ... würde Werner beinhart fragen. Und vor allem: Was sagt das Dünkel-Geplänkel dem Leser über seine Autoren?
Nichts gutes, wie ich finde.
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