american engineering
Donnerstag Abend fiel der Fernseher aus. Unglücklich, denn wir wollten die französischen Präsidentenwahlen mitverfolgen. Das Wochenende kommt näher. Die Reparaturfirma schickt einen Monteur. Der ist etwas schmuddelig und meckert, was das Zeug hält. Aber er meint, er wäre der beste in der Firma und die Firma die beste der Welt und dann geht er zum Gerät und tritt mit Anlauf dagegen. Und der Fernseher springt nicht an. Und der Monteur meckert.
Zuerst meckert er über die Leute, die zu wenig Geld für Fernseher ausgeben. Dann meckert er über alle, die eine andere Wartungsfirma beauftragen. Dann meckert er über das Wetter, die Überarbeitung in seiner Firma, die schlechte Bezahlung, die enorme Verantwortung eines Fernsehtechnikers und darüber, dass er immer alles alleine machen muss, weil niemand ihm hilft. Das wäre nicht fair. Dann geht er.
Der Fernseher läuft immer noch nicht. Irgendwer ruft die Wartungsfirma an. Es kommt wieder derselbe Techniker. Diesmal stapft er entschlossen aus seinem Van, schimpft auf die Chinesen, die neuerdings mehr und mehr Fernseher bauen, die Koreaner, die neuerdings mehr und mehr Fernseher bauen, die Japaner, die immer weniger Fernseher bauen …
… und die eigene Firma, die die besten Fernseher aller Zeiten baut, nur nicht mehr dazu kommt, Fernseher zu bauen, weil sie nur noch mit Reparaturen beschäftigt ist. Von Fernsehern aus Fernost. Und dann zeigt er mir zum Beweis das Typenschild auf meinem Fernseher und - ehm - meckert darüber, dass da der Name seiner Firma draufsteht, wo doch das Gerät ganz sicher ein Nachbau aus Taiwan ist und nur deshalb nicht läuft.
Die Chinesen unterwandern nämlich den Markt. Zufällig ist gerade auf der anderen Straßenseite ein chinesischer Reparaturservice. Dort steht eines der unbrauchbaren Geräte. Das ist zufällig auch gerade nicht kaputt, sondern läuft und läuft und läuft. Und der Wartungstrupp ist dort, weil die Männer Mittagspause machen im Nudelparadies und dazu Nachrichten im Fernsehen sehen.
Wir schauen auf dieser Seite der Straße einen schwarzen Schirm an, auf dem hin und wieder die Nachricht erscheint, man müsse das System neu starten. Shot Down. Der Techniker geht rüber und plaudert über dies und das mit seinen schlitzäugigen Kollegen und erklärt generös, er wolle den Nudelschuppen nach Kräften unterstützen und plane mit großzügigen Aufträgen für die Zukunft.
Doch seine Finte wirkt nicht recht. Keiner der Monteure will ihm einen Tip für sein Problem geben. Sie meinen, sie hielten sich aus technischen Fragen ganz heraus. Wenn es um Fernseher geht, die sie nicht gebaut hätten. Mein Techniker kehrt aus dem Nudelparadies zurück. Seine Laune ist nicht paradiesisch. Aber kurz vor Erreichen unserer Straßenseite setzt er dann ein fettes Grinsen auf und plappert was von konstruktiven Dialogen.
Die er gerade geführt hätte mit den maßgeblichen Personen. Dann holt er aus seiner mobilen Reparaturwerkstatt eine riesige Werkzeugtasche. Die Mutter aller Reparaturwerkzeuge, verkündet er stolz, schleppt den Eumel in mein Haus und … tritt gegen den Fernseher.
Die Mutter aller Reparaturwerkzeuge ist ein gigantischer Vorschlaghammer. Man hebt ihn vorsichtig aus dem Futteral, knallt ihn gegen den Fernseher und lächelt breit. Dann trägt man sein chirurgisches Werkzeug wieder zum Van, reibt lächelnd die Hände und blökt in Richtung der Chinesen über die Straße: Na, also, hammwers doch.
Die Chinesen sind beeindruckt. Wir sind beeindruckt. Jetzt wissen wir, wofür wir einheimische Produkte wählen. Überhaupt sollte man nur noch einheimisch. Fernseher, Autos, Putzfrauen. Der Techniker fährt, und der Fernseher geht immer noch nicht. Es klafft ein Loch in seiner Scheibe. Da, wo ein Bild sein sollte. Dafür ist der Spruch jetzt weg, dass nur noch ein Neustart hilft.
Was den Neustart angeht, denke ich, kann man tatsächlich geteilter Meinung sein.
Und überhaupt ist alles eine Frage der Perspektive. Ganz besonders im Hinblick aufs Fernsehgerät. Und so ein Fernseher mit nem Loch drin ist zuweilen sogar ein ganz adrettes Möbelstück. Im MOMA bekäme es eine eigene Wand. Hier auf dem Land erntet das Gerät freundliche Kommentare in einer Sprache, die in unserem Viertel niemand außer dem Nudelkoch spricht.
Hai-hai-hai-hai … klingt wie spöttisches Lachen. Aber nur, weil wir die chinesische Konversation nicht kennen. Der Koch übersetzt ungern, dann aber doch zögerlich, wie beeindruckt seine Gäste von der Fachkompetenz unserer Techniker sind. Aber der Hammer, Junge-Junge, so einen haben sie in China nicht.
In ihrem Billigfernseher läuft gerade ein Bericht über die aktuelle chinesische Weltraummission. Beim derzeitigen Stand der rot-gelben Technik, soweit unser Techniker in seinen Arbeitspausen, atmen die Raumfahrer vor dem Raketenstart kräftig ein und halten dann die Luft an. Denn sie kennen keine Kompressoren. Oder aber ihre Kompressoren funktionieren nicht. Was auf das selbe hinausläuft. Fachgeplänkel. Wenn sie aus dem All zurück sind, atmen sie dann wieder. Der Chinese kann das.
Irgendwer hat dann noch mal die Wartung angerufen. Der beste Monteur aller Zeiten entstieg seinem Van und stapfte wutschnaubend unsere Einfahrt hoch, schob die Hausherrin zur Seite, weil es unter seiner Würde ist, mit Frauen zu sprechen, die sich nicht schämen, in der Öffentlichkeit eine Brille zu tragen. Oder sich weigern, notwendige Brustkorrekturen vorzunehmen. Dann kam er zur Sache, nämlich seiner Beschwerde darüber, dass er jetzt schon zum dritten Mal wegen dieser Bagatelle …
… und er überhaupt alles alleine machen müsse. In Richtung der Nudelküche rief er über die Straße, er habe es endgültig satt, dass er und seine Firma auf dieser Welt alle Fernsehgeräte ganz alleine zu reparieren hätten, und das auch noch auf eigene Kosten. Dann klebte er ein Klebeband mit der Aufschrift full exchange auf das tote Fernsehgerät, stapfte zu seinem Auto zurück und …
… bekam den Motor nicht an. Die Chinesen schoben ihn unter der Bedingung an, dass er ihnen noch einmal die Mutter aller Reparaturwerkzeuge zeige. Doch er hatte seinen Hammer gerade nicht dabei. Er wurde gratis angeschoben. Die Chinesen hielten die Luft an, als seine Rakete startete. Als er abhob, atmeten sie wie gewohnt wieder aus und ein. Dabei einen Singsang intonierend, den der Koch nicht übersetzen wollte.
Er meinte, es sei eine Art von Glück bringendem Refrain. Sowas wie Hänschen klein ging allein oder das andere, wie war das noch?
And I-ha-hai-ha-hai-ha-hai will always love you-hou-hou-hou-hou-hou-hou …
Ich rief dann noch einmal in der Firma an, um zu fragen, wann sie mein TV austauschen würden. Die Firma, hieß es, sei von einem chinesischen Konzern gekauft worden. Wahrscheinlich schon vor Jahren. Man beschäftige zum Schein jedoch noch den einen oder anderen Rentner, der traditionell mit der Firma verbunden sei, um sich den Kundenstamm der Patrioten zu erhalten.
Zum Fernsehen muss ich neuerdings die Straßenseite wechseln. Die Nudeln sind klasse. Aber die Chinesen ... sind schon ein komisches Volk
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