Die Macht der Illusion
Zischwumm. Eine Flugabwehrrakete. Jubel, Kreisch, kreisch. Preisverleihung vor der Flagge. Orden, Reden, Tränensack. Glückliche Gesichter. Jahre zuvor ... kündigt die Einblendung an und Tom Hanks sieht im Fernsehen, wie die schrecklichen Russen die freundlichen Taliban drangsalieren, weil die freundlichen Taliban keine Raketenwerfer haben.
Der Krieg des Charlie Wilson rangiert gleichzeitig unter Politsatire und Tatsachenbericht. Tatsachenbericht deshalb, weil der Texaner wohl eine Autobiografie hat schreiben lassen, die Mike Nichols abgefilmt hat, um die historischen Tatsachen, so wie sie der Texaner bezeugt, nicht zu verfälschen. Satire soll mutmaßlich den Grad an Unglaubwürdigkeit beschreiben, den die Demenzorgie des ständig alkoholisierten Texaners angesichts der sonst noch über den CIA-Waffendeal verfügbaren Informationen erzeugen könnte.
Naja, im Film selbst kommt das Satire-Genre nicht so richtig zur Geltung. Vielleicht wenn der CIA-Waffenexperte hinter seinem Rücken mit vier Partnern gleichzeitig Blindenschach spielt und dem verblüfften Zuschauer referiert, was an der Schweizer Luftabwehr nicht stimmt. Wegen ihrer Bergtauglichkeit, kurz gesagt, sind ihre Raketen hauptsächlich in den Alpen wirksam, aber nicht im Pandschab.
Rattatatttatttat. Heul-heul. Die Russen bauen Spielzeugminen gegen die Kinder und fahren mit Panzern über Dorfbewohner. Und Charlie ist der einzige, den das rührt. Weil seine Landsleute noch nicht wissen, dass Demokratie und Freiheit am Hindukusch verteidigt werden (müssen). Und er weiß auch noch nicht, dass es ja eigentlich die Irakis sind, die mit ihren Panzern über die Kuwaitis fahren.
Dank der Politsatire wissen wir also, dass es ein Akt der Freiheit und Humanität war, die Taliban zu bewaffnen. Mit im Film einer Milliarde Dollar Rüstungsgütern Israelischer Provenienz. Die Taliban sind durchweg gute Taliban, denn sie verteidigen ja ihr Land. Gegen die ungeliebten Gäste, die mit Panzern und Hubschraubern ein ganzes Land terrorisieren.
Genau genommen haben also die Russen den Terror nach Afghanistan transportiert und die Taliban die ihnen freundlich vom großen Bruder Amerika gestifteten Pflugscharen anschließend ihrer diesem Terror geschuldeten Verwahrlosung wegen - emm gegen die Freiheit und Menschenrechte als Schwerter mißbraucht. Konnte ja kein Mensch ahnen. Und irgendwo auf dem Weg kam dann auch die Fundamentalisierung, weil wie Wilson posthum erklärt, die Hälfte des befreiten Landes unter vierzehn ist und kein Abo der New York - Times besitzt.
So in etwa stelle ich mir den Kopf eines Donald Trump vor. Die Weltbilderwelten eines, der auf Gelsenkirchener Niveau einen röhrenden Hirsch an der Wand hängen hätte. In Öl. Aber das sollte man in Sachen Golf nicht zu arg strapazieren. Osama Bin Laden, der Taliban, der alte, ist also im Grund seines Herzens ein fehlgeleiteter Freiheitskämpfer, und die Massenvernichtungswaffen, die man immer noch sucht, sind in Massen von Vernichtungswaffen gut und gerne unauffindbar. Weils wie immer das falsche Land war.
Zur Zeit wird ja in Syrien gesucht. Und da diesmal die Russen ganz offiziell im Namen der Menschlichkeit fliegen, und die Stingermilliarden nicht in noch falschere Hände gelangen sollen, empört sich aktuell die Welt auch nicht über den weltanschaulichen Konflikt und verteilt die Gut-und-Böse-Rollen lieber anhand der Methodik. In der Sache, ja, haben sie ja möglicherweise auch recht. Wer auch immer da recht hat.
Das ist nun wirklich beachtlich. Dass - zumindest in dem Film, der in den Köpfen der heutigen Krieger spielt - sowohl diejenigen Helden sind, die den Schurken bewaffnen, als auch diejenigen, die dem Schurken die Arsenale wieder gewaltsam abnehmen müssen. Und nicht zuletzt auch noch diejenigen, die anschließend ihre Grenzen schließen, weil bei dieser Art Heldentaten Millionen von Menschen entwurzelt wurden, die jetzt alle potentielle Bedrohungen sind. Weil, ja, die Schurken irgendwie an Waffen kamen.
Aber so eine Heldenmedaille macht sich immer gut. Einschließlich der zugehörigen Zeremonie. In einem Flugzeughangar. Wenn das mal nicht eine Anspielung war auf die Soldaten, denen man zehn Jahre später an gleicher Stelle mit gleicher Andacht eine Flagge über den Zinksarg zog? Hollywood hat jedenfalls schon immer einen Sinn für die Dramatik bewiesen. Erdogan weniger.
Der Bursche kämpft noch gegen die Presse, wo er sie doch einfach nur zu bezahlen bräuchte. Meine Güte, der mann löst UNSERE Probleme. Nicht ganz am Hindukusch, aber zwischen hier und dort. Denn was, wenn Trump seine Mauer baut und die Grenzen sperrt? Dann ist Erdogan unsere letzte Hoffnung gegen die Menschenrechte, denn solche kosten Geld, sobald sie mal hier sind. Also bleiben sie besser da, wo sie hingehören. Im Gefängnis.
Doch wer unterschreibt jetzt die Petition für Deniz, wenn wir doch mit allen Händen voll beschäftigt sind, Heldenepen zu schreiben über Menschen, die -naja- weil man das alles damals nicht wissen konnte, Erdogan in die EU einzuladen, vorausgesetzt er lässt uns von seinem Land aus die Länder bombardieren, die bezichtigt wurden, die Katastrophe mit den falsch genutzten Waffen ausgelöst zu haben, deren Beschaffung fast schon übermenschliche Anstrengungen für die Menschlichkeit erfordert hat?
Naja, und die Kasse hat klingeln lassen in Höhe von einer eins ... mit neun Nullen dran. Jedes Jahr! Vielleicht ist es doch besser, man geht mit Erdogan nicht so hart ins Gericht. Denn der will nur provo... bellt nur. Oder wissen die Kongressabgeordneten in Texas und Börlin schon von dem Schachspieler aus dem Central Park dass die unliebsamen Journalisten bald freikommen werden und sich dann in ihre Vita noch einmal hineinschreiben können, ihrer Arbeit wegen mehrfach in Haft geraten zu sein?
Dann wären eigentlich alle Probleme gelöst. Gut, die Zahl mit sieben Nullen an Flüchtlingen droht dann noch immer, die glatte Bilanz mit der eins und den neun Nullen zu ruinieren. Aber die Lieferanten der Raketen müssen ja auch nicht die Zeche zahlen. Oder ihre texanischen Geldgeber. Wobei möglicherweise die einen und die anderen ... und überhaupt.
Also, diese Verwandlungskunst eines Tom Hanks: einmalig. Und so glaubwürdig in jeder Rolle. Ich freue mich schon, ihn als Erdogan zu sehen, dem Visionär vom Bosporus.
‰