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Cartesius ist latinisiert für Descartes. So nannte sich René, der Wiedergeborene. Der Wiedergeborene Cartesius schuf die Anfänge der analytischen Geometrie, also die Vektorrechnung, was soviel heißt wie: Er trennte (separierte) orthogonale (rechtwinklig aufeinander stehende) Dimensionen und ordnete ihnen Maßzahlen zu. Das klingt komplex und hat sicherlich viele Mathematikschüler der Neuzeit erschüttert, ist aber eigentlich ein alter Hut.

Nennen wir es Höhe, Breite, Tiefe und setzen wir es in schwedischen Lettern in den IKEA-Katalog, dann wird die Sache allgemein verständlich: Das Möbelstück "Wereldmodelen" im Packmass 1,70 x 3,20 x 1,45 hat im aufgebauten Zustand die Kantenlänge x mal y mal z. x ist die Breite des Universums, y die Höhe und z seine Tiefe. Packmass heißt: vor dem Big-Bang. Kennt jeder: Big-Bang auf IKEAno-Schwedisch ist auf gut Deutsch die Aufbauanleitung. Karthesisch heißt also nichts anderes als Katalogmass.

So hat sich das Descartes gedacht, und so rechnen wir bis heute. Das Pendant zum schwedischen Dreisatz aus Breite, Höhe und Tiefe nennt sich mathematisch Vektor. Diese göttliche Dreifaltigkeit hat Einstein widerwillig um die vierte, imaginäre Dimension erweitert, die Zeit. Und seither erfinden wir jeden Tag ein paar neue hinzu.

Nun hatte Descartes allerdings eine wirklich revolutionäre Idee. Die er im Übrigen mit vielen Zeitgenossen teilte. Er erfand den Äther oder rechnete mit ihm. Äther ist in gewisser Weise der Massewind. Descartes war nämlich überzeugt, es könne nicht nichts geben, Raum sei also nie leer. Es müsse darin zumindest ein ganz feiner Stoff verteilt sein, um den Raum aufgespannt zu halten. Man nannte dieses Fluidum seinerzeit also Äther. Gut.

Schlecht. Denn der Äther gefiel manch anderem sehr wenig. Newton wandte sich von dieser Übereinkunft alsbald ab und formulierte den Masseschwerpunkt. Man brauchte keine komplizierten Wirbel, um das Wirken von Anziehung und Abstoßung zu berechnen, man brauchte nur unendlich konzentrierte Materie in einem Punkt. Atommodelle sind schnell entwickelt, da sie den Sonnensystemen mit ihren Planeten so schön ähnlich sind. Also hatte man alsbald überall in festen Körpern, Flüssigkeiten und Gasen diese winzigen Sonnensysteme, in denen Tennisbälle um Fußbälle kreisen und die Welt ihre Ordnung hat wie eben in einem IKEA-Regal namens Njuton.

Und in dem ist so viel Ordnung, dass das Regal zu zehn hoch 26 Prozent leer ist. Weil hundert Prozent für den Rest einfach nicht reichen. Wo soll denn da auch bitte Äther sein? Und wo herkommen? Und wie kreisen? Und dieses Kondensat an seinen Grenzen, das klingt doch ziemlich albern. Wenn man es modern betrachtet.

Oder auch nicht. Denn seit die Quantentheorie ihre Wellen postuliert, schmelzen die Tennisbälle im All zu einer -hm- ätherigen Suppe. Jede Welle hat einen Impuls, Energie und somit Masse. Und sei sie noch so klein, sie ist im Raum verteilt. Korpuskeln hat noch niemand beobachtet, denn wenn man es versucht, zerfallen sie zu immer kleineren Einheiten, die dann wieder zu kleineren und die dann wieder zu Wellenpaketen.

So hatte Descartes gesagt: ein Atom kann es nicht geben, denn alles, was substantiell ist, kann gedanklich geteilt werden, also kann es auch physikalisch geteilt werden und ist somit nicht unteilbar, also kein Atom (griechisch für Unteilbares).

Inzwischen haben wir die kosmische Mikrowellen-Hintergrund-Strahlung entdeckt. Sie ist überall und erfüllt damit auch den letzten Kubikzentimeter Raum. Es gibt also keinen leeren Raum. Und da die Quantenmechanik jeder Strahlung auch eine Masse zuordnen kann, gibt es kein Raumelement ohne Masse. Der Äther ist somit wieder erfunden. Und der Wirbel im Äther ist wie im antiken Cartesischen Sinn der Masseschwerpunkt. Sieht man die Wirbelgrenzen an, so entdeckt man Fäden im Raum, die wiederum Bahnen beschreiben, auf denen sich Massen bewegen würden so wie Planeten um die Sonne.

Gruselig wird es, wenn wir Einstein zu Rate ziehen und feststellen, dass die Wirbeltheorie der Masse nach Descartes, wenn man nur die seltsamen Experimente von sich im Zentrum eines gerührten Glases Tee sammelnden Staubs vergisst, die uns die Schwerkraft als Sammlungstendenz schwerer Teilchen erklären soll, dann haben wir, was wir brauchen: eine relativistische Theorie. Denn von einem Punkt auf dem Strömungsfaden am Rand eines Wirbels aus gesehen, ist das Zentrum des Wirbels ein Punkt der sich entlang eines Fadens um den zentralen Betrachter bewegt.

Was um mich kreist, um das kreise auch ich. Huch! Also ist Descartes bei weitem moderner als Newton. Nur eben nicht konsequent zu Ende gedacht. Nämlich in n Dimensionen. Da wäre Cartesius wohl auch noch drauf gekommen. Aber wir nicht unbedingt. Wir wurschteln noch immer mit unseren Korpuskeln herum, die unserer Physik wie Steine im Magen liegen. Der Franzose war da immer schon leichter. Und hier der Grund: er denkt ganz anders.

Man sieht das an einem unschuldigen Wort. Im Englischen traffic, der deutsche Verkehr, hat man ein Phänomen, das fast schon selbsttätig aus dem Vokalbelschatz heraus zu einem Stau auf der Autobahn kondensiert. Verkehr ist etwas anwesendes, das obgleich in sich in Bewegung, doch nur ein lästiges Übel darstellt. Es brummt und summt und stinkt und kommt nicht von der Stelle, solange die Umgehung noch in Planung ist.

Der Franzose hat die Umgehung bereits. Für ihn ist Verkehr circulation, also das Kreisende. Der Franzose erfand daher auch zur Verwirrung der Römer den Kreisverkehr. Ein Widerspruch in sich, wenn man es in deutscher Sprache ausdrückt, eine Tautologie für den Gallier. Der runde Punkt (rond-point)!! könnte auch circulation circulante heißen oder etwas in der Art, denn der Franzose hat erkannt, dass Verkehr vor allem eine gewaltige Drehscheibe ist.

Markieren Sie Ihr Auto und zeichnen eine google-maps-Linie für dessen Aufenthaltsort - sagen wir für ein Jahr! Was sehen Sie? Kreise, nicht Geraden vom Ursprung des Universums zu dessen Ende. Bestenfalls Polygone, die Ihrer Fahrkunst, der geometrischen Straßenführung und dem Wissensschatz des Navi entsprechen. Der Verkehr ist ein Kreislauf wie der vom Blut. Und die Straßen sind, wie Descartes schon sagte, immer voll. Und sei es nur mit Äther, dicker Luft oder IKEAs Verpackungsmüll.

Die französiche Sprache denkt anders. Womöglich hat Descartes deshalb die Welt so konsequent kaputt gedacht mit dem ihm unterstellen cogito-ergo-sum, weil er Franzose war. England hingegen scheute sich, seine Monarchen zu köpfen. Die kastrierte Monarchie der Konstitutionellen fällt mit Newton seit Jahrhunderten nicht weiter vom Stamm als ein Tennisschläger schlagen kann. Aber Descartes Gedanken schossen mit Überlichtgeschwindigkeit bis zum Ende des Universums, als er sich fragte, was denn überhaupt unbezweifelbar sei.

Französich denken, heißt dies zu wissen: dass es nichts unbezweifelbares gibt. Der Mann hatte Glück, dass man ihn nicht auf die Guillotine schickte.