Null durch Null geht unendlich oft
Mathematiker können manchmal so herzlos sein. Sie rechnen aus, dass rund 7,4 Mrd Menschen auf dem Planeten leben. Rund 70 Millionen davon sind auf der Flucht. Das ist ein Prozent. Einer von Hundert hat kein Zuhause, manche keine Eltern, viele nicht das nötigste zum Leben.
Ein anderer auf diesem Globus hat eine Mrd Dollar in den Sand gesetzt. Ein einzelner. Wird sich jetzt möglicherweise der eine andere fragen: Wie geht das? Gute Frage. Mancher würde sich schon als Gewinner der Evolution fühlen, wenn er mit seinem bescheidenen Intellekt eine Million NICHT in den Sand setzen, sondern sinnvoll anlegen hätte können. Das wäre ein Promille. Doch zuviel des guten.
Denn in der positiven Welt der Mathematik gilt die Null-Promille-Regel. Und so etwas wie eine fünf Prozent Hürde. Eine Mrd Dollar geteilt durch 70 Mio Flüchtlinge ergibt mathematisch gesehen rund 15 D/F, denn die Flüchtlingszahl war leicht weniger als 70, und der Verlust hat eine Dunkelziffer. 15 Dollar für jeden Flüchtling weltweit, wenn der Konkursverursacher sein Geld humaner angelegt hätte.
Aber was, wenn er dieses Geld vorher gar nicht gehabt hätte? Um damit Konkurs zu gehen? Wer hätte es dann gehabt? Nunja, vielleicht diejenigen, die flüchten mussten, weil sie alles verloren. Ein Dollar Haben oder Nichthaben macht zwei Dollar unterschied. Jedenfalls für den armen Teil der Bevölkerung. Für den reicheren Teil ist es dasselbe. Ein seltsames Phänomen.
An der Spitze der mächtigsten Industrienation der Welt tummeln sich traditionell diejenigen, die zuvor harte Trinker waren, auf Konkurse zurück blicken wie andere auf ihre Jugendsünden, und deren Selbstverständnis die Frage nicht zuläßt, woher denn nun das Kapital stammt, das sie veruntreuen, verspielen oder dem Finanzamt vorenthalten.
Irgendwie scheint die Tatsache, daß jemand nicht mit Geld umgehen kann, den Voting-Reflex der Tellerwäscher auszulösen.
Zwischen der Armut der Armen und dem Reichtum der Reichen klafft ein großes Erinnerungsloch. Das schwarze Loch der Mathematik hat dort keine Riese-sche Logik, um nicht zu sagen: das Geld, das irgendwo weg ist und irgendwo anders da ist, steht in keinerlei Beziehung zueinander. 2 Dollar = Null. So der Außenhandel, und das Sozialsystem. Erst recht im Krieg, der hüben wie drüben tobt. Nicht-kommunizierende Röhren also.
Wenngleich Kommunikation nicht unbedingt das Problem der Tresore sein dürfte. Sie kommunizieren alles. Zum Beispiel, welches Supermodel fett geworden ist. Nur nicht ihre Steuererklärung.
15 Dollar ist, wenn man es so sieht, auch gar nicht so viel zum verzocken. Angesichts eines verlorenen Heims, Landes, Heimat, Arbeit, Gesundheit und Perspektiven sind 15 Dollar eine geringe Ausbeute. Allerdings fragt der Mathematiker auch hier nach Faktoren, Multiplikatoren genau gesagt: Wie viele Arme es in der Grundmenge gibt, klärt die Unesco auf, aber wieviele Reiche Vermögen veruntreuen, die ihnen moralisch gesehen gar nicht gehören, sagt sie nicht. Es kann ja immer nur einer gewählt werden.
Sagen wir mal, es wären die berüchtigten Oberen Zehntausend die Grundmenge. Dann sind 15 Dollar pro Person schon ziemlich viel, nämlich 150.000 Dollar. Weltweit für jeden Flüchtling, ob Mann, Frau, Opa, Oma oder Kind. Ich sage: FÜR jeden Flüchtling, aber die spekulative Frage ist ja: auch VON jedem Flüchtling? Denn wir wissen immer noch nicht, woher denn eine verzockte Mrd Dollar eigentlich stammt.
Sagen wir: FÜR. Denn da schwingt so viel positives Potential mit. Charity. 150.000 pro Person sind ein solider Existenzgründerfonds, der ALLEN Flüchtlingen weltweit aus der Krise hilft. Hülfe, aber diesen Konjunktiv versteht die Mathematik nur unzureichend. Denn dann könnten die Präsidentschaftskandidaten ihre Vermögen nicht mehr in Las Vegas verzocken. Was ihren Arbeitsalltag in unzulässiger Weise einschränken würde.
Und die gesamte Rechnung ad absurdum führen. 2008 rechnete die FAZ einmal aus, was denn der Krieg im Irak gekostet habe. Gut, hier ging es um Massenvernichtungswaffen. Die gab es zwar nicht, aber massenhaft vernichtet wurde trotzdem. Drei Billionen Dollar. Da fanden dann auch die entsprechenden Statistiken Raum, wie viele Amerikaner studieren hätten können, wie viele Soldaten reich statt tot hätten sein können und wie viele Menschen heute noch ein zuhause hätten.
Und nicht anderswo an verschlossene Türen klopfen. Drei Billionen sind 3.000 Mrd, und da irgendwo hört die Mathematik auch auf. So große Zahlen gibt es gar nicht. Und so große Türen auch nicht.
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