Wo wir sind, ist vorne
Touratec West Travel Event 2016. Eine der schönsten Off-Road-Parcours Europas, heißt es, liege bei Hürtgenwald, Kleinhau, in der Nähe von Nideggen in der Eifel. Eifel ist ja nicht gleich Eifel, und diese hier kann man zur Unterscheidung von Ahrtal, Vulkaneifel oder Hocheifel als Nordeifel bezeichnen. Reizvoll auch der Bauten wegen, Naherholung für Aachen und Köln. Der Parcour ist herzhaft.
Vier Stunden Qual unter der Sonne erwarten die Teilnehmer aus ganz Deutschland. Zwei Instruktoren leiten durch das Programm. Stefan Ex-Soldat, In-haber einer Motocross-Schule, erfahrener Tourenveranstalter unter anderem nach Spanien. Off-Roader seit der Jugend. Jörn, etwas ruhiger, ist der technische Typ. Zurückhaltend, wenn er nicht gerade im Sattel sitzt und seine 1.200er ohne ABS quer über die Wiese bremst auf diesen Van zu, der da am Ende des langen, langen Anhaltewegs parkt, auf den Van zu und züer, bis knapp davor - und so demonstriert, was ABS auf der Wiese alles nicht kann.
Erwartet war dauerhafter Regen. Der blieb aus bis kurz vor Schluß. Wäre er nicht, hätte die Schlammschlacht extreme Formen angenommen. Und dieser Van jetzt eine kapitale Beule. So nur feiner Staub, der am Schweiß der Teilnehmer kleben bleibt. Nach einer Stunde Training der Fertigkeiten im Gelände sehen die Jungs und Mädels aus, als hätten sie den Parcour auf Mountainbikes absolviert. Blockierende Räder, Anfahren auf losem Untergrund, enge Kurven, richtiger Stand, optimierte Einstellung von Lenker, Rasten und Anbauten ...
Dann der erste Apfel, Flasche Wasser dazu und die Frage, wie denn der Profi sein Bike sauber hält. Gibt ja genügend böse Drohungen, was alles passiert, wenn man sein Motorrad in die Waschstraße fährt. Zwei Antworten: Jörn hat Azubis. Stefan lächelt breit, als er den Hochdruckmythos entzaubert. Natürlich mit dem Kärcher. Aber klar, die Jungs wissen, welche Technik Druck verträgt und welche aufgibt. Kurvenfahren und Bremsen bis zum Schweißausbruch.
Mittlerweile kann man kaum noch die eigenen Arme bewegen. Gelände heißt Zupacken, und sei es nur mit einem Finger. Kupplung, Bremse filigran, der Rest brachial. Das Bike kämpft seit zwei Stunden im ersten Gang gegen Bodenwellen. Da geht es auf die Kinderstrecke. Die Übung heißt Bergen im Hang. Nun, es ist, wonach es klingt. Ein ziemlicher Schlauch. Unter anderem auch für die Technik. Wer vor dem Training dachte, der Ventillator am Kühler sei defekt, hörte ihn nun druchgängig brummen. Solche Leistungen hätte keiner der Teilnehmer seiner Maschine zugetraut.
Und sich selbst auch nicht. Als nämlich die Strecke dann endlich aufgeht und die ersten Ab- und Auffahrten im Geröll anstehen, kann der Teilnehmer allenfalls den Kopf schütteln. Am Morgen noch Probleme damit gehabt, sein Bike sicher den leicht abschüssigen Schotterweg zum Fahrerlager zu bugsieren, knallt er nun 100% Steigungen rauf und runter in überhängenden Kurven um Wackersteine, die mühelos Ellen und Speichen brechen und Helme zerschmettern.
Links und rechts am Wegrand stehen die ausgeknockten Maschinen mit ihren ausgeknockten Maschinisten drauf und werden in Position geschoben, um irgendwie dem Desaster zu entgehen. Einen Tag zuvor hätte ich, wäre ich je in eine solche Lage geraten, ohne Zögern die Bergrettung angerufen. Nun hält die Hand den Gashebel unter Druck, während hinten eine Fontaine aus Steinen und Dreck wegspritzt. Geschafft. Nächste Auffahrt. Geschafft. Enge Kurve, kurze Stufe 40cm, danach auf 2 Metern das Ding im Sand um die Ecke gedreht, Vollgas die Rampe hoch, oben ein Spalier aus Hängengebliebenen.
Mitten durch getanzt. Nur einen scheint es wirklich geschmissen zu haben. Eine kurze Pause auf der Anhöhe, und ich denk, es kann nicht sein. Die haben uns über den vollen Parcour gescheucht. Woher wußten die, dass wir durch ein Wunder alle überleben? Antwort: Sie wußten es nicht. Aber man kann ja schließlich auch nicht alles planen. Off-Road ist echt nix für Luschen.
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