Naturschutz

Kammolch, Geburtshelferkröte, Gelbbauchunke - so nennen sich die Folterwerkzeuge des Naturschutzbundes. Wo es diese Arten gibt, entstehen Stacheldrahtverhaue, Naturschützer patrouillieren im Geländewagen, und Hunde werden mit Leinenzwang gestraft. Naturschutz muss sein, denn ohne würden Kinder einfach so im Steinbruch baden gehen. Jugendliche würden ihre Mopeds durchs Gemüse jagen, und Jäger statt Waidpflege einfach schießen, was die Karte hergibt.

Ich will keinen falschen Eindruck erwecken, Naturschutz finde ich klasse. Wenn jemand beispielsweise einen kleinen Tümpel auf seinem Grundstück anstaut und dafür von der Gemeinde angeschissen wird, beim Ablaufenlassen entdeckt, dass am Grund - nein, sowas: Molche mit gelben Bäuchen jämmerlich verenden. Von denen schweigt er besser, nennt nicht ihren naturgeschützten Namen, weil sonst nicht nur der verbotene Teich wieder angestaut werden muss, sondern der Eigentümer sein eigenes Grundstück nicht mehr betreten darf.

Solche lustigen Kapriolen erlaubt sich die Industrie nicht unbedingt. Die muß zum Beispiel als Asphaltzuschlag Basaltsteine brechen. Und daher fahren dort, wo Herr Kammmolch und Frau Kröte hausen, mit Muldenkippern im Minutentakt die betonierten Rampen des Steinbruchs hinan. Es sind für das Naturschutzgebiet Öffnungszeiten angegeben auf der Homepage des Betreibers.

Bei näherem Hinsehen entpuppen diese sich als Öffnungszeiten der Verladerampe für den Geschäftsverkehr. Frau Kröte und Herr Molch leben dort während der Geschäftszeiten in ihren berühmten Nischen. Diese Habitate sollte man besser nicht genauer betrachten, und auch nicht ihre Wasserqualität untersuchen. Es sind die schlammigen Pfützen der Schlaglöcher, durch die der Werksverkehr knallt, um von Sohle sieben im Tagebau den Schotter nach oben zu schaffen. Und die Gelbbäuche leben da bis zum Ende der Regenzeit oder dem Eintreffen des nächsten Lkw-Reifens.

Gut, aber wenn dann so ein Steinbruch einmal geschlossen wird, dann lebt die Natur auf. Vorausgesetzt, man baut hohe Zäune um die Areale, damit Wanderer, Kinder und Hunde die auflebende Natur nicht stören. Allenfalls das seltene Klicken eines Fotoapparates der Realschullehrer, die für gewöhnlich treibende Kräfte hinter dem Landschaftsentzug sind. Mancher Umweltschützer hat mehr gelben Stacheldraht um Basaltgruben gespannt als Bäume gepflanzt. Die Sense nimmt man in diesen Kreisen auch nicht gern in die Hand. Es sei denn, um Verkrautung von Trockenmauern an Vereinsheimen zu unterbinden.

Ich war mal am Hummelsberg. Naturschutz findet hier noch nicht oder nicht mehr statt, weil der Betreiber des Steinbruches noch selbst die Karten in der Hand hält und den Zaun rundherum instand. Da, wo der Wanderer hin gelangen kann, hat sich ein Schützenverein angesiedelt. Wo sonst kann man in freier Natur auf Tontauben ballern, bis einem die Ohren klingeln, als mitten im Landschaftsschutzgebiet? Hier oben ist Günter Guillome gewesen und hat seine spionierten Akten beim Zelten an die Stasi gefunkt. Darf man heute alles nicht mehr. Zelten, meine ich.

Besonders beeindruckend an dem Zapfen Basalt, der mal zu den imposantesten Erhebungen der Gegend zählte, war ein keltischer Ringwall in 445 Metern Höhe. Zu Römerzeiten muss hier oben eine nahezu prähistorisch zu nennende Burg (also eine bronzezeitliche Festungsanlage) gestanden haben. Die war allerdings beim Basaltabbau im Weg. Und ist daher in den Brecher gekommen. Zusammen mit den obersten fünfzig Metern Gestein, die man irgendwo in Holland brauchte, um die Zuidersee trocken zu legen.

Vielleicht stecken vom Ringwall noch Steine im Linzer Stadttor. Das jedenfalls ist eine Touristenlegende, die man gerne kolportiert. Ja, so war das bis etwa in die Siebziger hinein mit dem Umwelt- und Naturschutz hier herum. Hätten wir nicht Adenauer, wir hätten nicht den Drachenfels. Berge sind zum plattmachen da. So etwas in der Art müssen sich auch die Remagener und Erpeler gedacht haben, als sie in die Erpeler Ley ein Loch hineinschlugen, das den faltigen grauen Felsvorsprung wie das Auge im Gesicht eines Elefanten wirken lassen. Eines toten Elefanten, dessen Stoßzahn im Rhein versinkt.

Sagen wir: versank. Die Brücke von Remagen. Nach Meinung der amerikanischen Strategen im zweiten Weltkrieg ihr Gewicht in Gold wert. Die Brücke brach bekanntlich in den letzten Kriegstagen zusammen, nachdem ein Schwarm V2-Raketen ihr Ziel verfehlt hatte. Wahrscheinlich zu viel Anlauf. Man hatte die Marschflugkörper in den Niederlanden gestartet. Mit dreitausend km/h geht schon mal der eine oder andere Schuß daneben. Eine Ladung ging ins Kasbachtal, glücklicherweise ein Luftzerleger, denn sonst wäre die dortige Bahnlinie nicht mehr - und damit auch eine letzte Chance, naturverbunden wandern und anschließend in der Brauerei bei gesichertem Heimweg einen trinken zu gehen. Denn der Kasbach fließt steil.

Auch der Hummelsberg bekam noch sein Fett weg. Das war 1978, soweit ich mich erinnere. Da brach nämlich die heraus gekloppte Steilwand über den Köpfen von Kammmolchen und Gelbbauchunken zusammen, klatschte in den Regenwassersee, erzeugte einen Minitsunami, der auf dem Gegenufer die dortige Abbauwand durchbrach und eine Schlamm-, Schutt- und Wasserwelle den Berg hinunter schickte, wo in den Schmitzhöfen zwei Personen starben.

Wenn man das Siebengebirge durchforstet, wird man nicht nur solche Geschichten finden und mehr als sieben Berge vermissen, die hier mal gewesen sein müssen, man wird auch ein gewisses hilfloses Unverständnis gegenüber dem zukünftigen Umgang mit der Hinterlassenschaft konstatieren. Einmal deshalb, weil sich die Steinriesen der Aktiengesellschaften nicht hinter die Zäune gucken lassen und gleichzeitig mit Abbaurechten weiter pokern wollen, andererseits weil Stacheldraht so viel Geld kostet, dass man verschiedentlich sogar ein Auge zudrückt, wenn Kinder irgendwo - illegal - baden gehen.

In Ägidienberg, Rottbitze, Malberg und am Rande des Hanfbachtals kann man dann den Mittelfinger des Umweltschutzes bewundern: die Sportfischerei. Wo diese Leute ihre Ruten auswerfen, wird Umweltschutz zur Religion. Denn da geht es um Larven von Hecht, Karpfen und Barsch. Oder Wels und Edelkrebs und - ja - gelbbäuchigen Amphibien. Auch Vögeln. Denn nirgendwo lässt sich so gut vö.., also angeln wie da, wo auch genistet, gebrütet und Zutritt verboten wird.

Aus der Luft gesehen, muss die ganze Gegend wie ein Urzeitwesen wirken, das mit tausend klaren Augen in den Himmel starrt und auf die nächste Baggerschaufel wartet. Vom Boden her sieht man haufenweise Hinweisschilder, die Hunde als natürliche Wilderer verunglimpfen. Das schöne am Ureinwohner der Umgebung - und das wohl schon, seit die Kelten auf dem Hummelsberg ihre Hütten erbauten - man nimmt das alles hier nicht so ernst.

Reißt den Zaun hernieder oder krabbelt unten durch. Auf diese Art haben sich hier haufenweise Biotope erhalten, die sonst wohl schon ausgestopft in einem Naturkundemuseum stünden.