Nö
Es ist schon seltsam. Jahrelang scheitert jede Bewegung an kaputten Reifen und es fehlt an Geld, sie zu erneuern. Dann kauft man auf einmal zehn neue ein. Wenn das kein Zeichen aufkeimender Mobilität ist! Maximal vier lassen sich auf einen Schlag bedienen. Die restlichen sind mit Luft gefüllt, die diesem Planeten dann einmal später als Reserve dienen werden, wenn uns hier allen der Sauerstoff ausgeht. Ich habe auch nicht die bedingt empfehlenswerten genommen sondern die guten zum selben Preis. Bin ja Prämiumkunde. Bewegung ist alles. Auch wenn die kleine Hausrunde nach Roermond seit vier Monaten nicht befahren wurde. Per Rad allerdings: sie ist doch da. Und wartet auf den Sommer. Ein klares Nö zu sagen, ist oft gar nicht so einfach. Auch wenn es sich nur um einen Tagesausflug handelt. Denn immer sind mit solchen Worten Anerkenntnis und Einsicht in Notwendiges verbunden. Ronnie-Hund hatte als Jugendlicher ähnliche Probleme. Er stahl sich weg, wenn es ging, und nutzte seinen Freigang, um die Welt zu erkunden. Aber schon zwei Kilometer weiter war die Reise beendet. Und wo hielt es ihn fest, wenn er kein Band um den Hals trug? An einem zwei Meter hohen Zaun. Von außen. Drinnen sieben Hundemädchen, jämmerlich eingesperrt auf einem Matschareal. Bewunderten wahrscheinlich den freien Streuner mit der gleichen herablassenden Sicherheit von Wohnungsinhabern, die ihr Eigenheim nicht verlassen können, weil sie es lebenslang abzahlen müssen. Zäune trennen Aus- und Eingesperrte gleichermaßen. Und wenn man die Hunde auf ihren jeweiligen Zaunseiten betrachtete, hätte man angesichts der Größe des Matschareals kaum einen Unterschied zwischen frei und unfrei erkenen können. Schlaue Menschen sprechen von innerer Freiheit. Genau genommen Bedürfnislosigkeit. Herr Hund hat das irgendwann gemerkt und den Zaun als Zaun genommen. Er kehrte dann in ein Leben zurück, in dem er ohne Band am Hals Zäune von außen respektieren lernte. Bedürfnislosigkeit lässt sich ihm allerdings auch posthum nicht nachsagen. Wir Menschen sind mental nicht so weit wie Vierbeiner. Wir reißen Zäune um - bevor wir merken, dass dahinter nichts zu holen ist, was es davor nicht mindestens von gleicher Qualität gäbe. Nunja, sag das mal einem Flüchtling in Cëuta! Unmenschlichkeit davor wie dahinter. Möglicherweise kann man mit der Literatur Zäune einreißen, die mit einem Satz aufgepumpter Reifen nicht zu umfahren sind. Alexander der Große soll so etwas schon erlebt haben. Seine Eroberungszüge kann man sich allem Anschein nach als große mobile Party vorstellen. Die am Ende in Frustration mündeten musste. Als er nach Indien kam. Syrien gehörte da ja schon zu Europa. Und man hatte keine Zeit, Zäune zu errichten, um das, was man Hellas zugeschlagen hatte, anständig gegen die Barbarei der freien Welt zu schützen. Oder umgekehrt. Tausend Kilometer zum Meer sind mir heute zu viel. Ich denke, ich lasse es.
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