Der Anxtberg
... hat seinen Namen hauptsächlich der dort angebrachten Leitplanke zu verdanken. Es handelt sich bei der Strecke um eine langwellige dreifache Serpentine mit leicht mehr als sanftem Anstieg zwischen Mühleip und Kircheib. Die Radkarte zeigt zwei Pfeile aufwärts. Der Cyclist vergibt drei Daumen abwärts. Verursacher der spannungsgeladenen Stimmung beim Kampf gegen die sich im Anstieg allmählich wie geschweißt festfressenden Pedale ist aber nicht die Schwerkraft, sondern diese Planke. Sie sperrt den Fluchtweg ab.
Die Straße ist nämlich, wenngleich breit genug für den Verkehr, zu schmal für Überholungen, und erst recht für solche unter dem Trommelfeuer des vom Berg stürzenden Gegenverkehrs. Und der ist neben dem fehlenden Einschätzungsvermögen der Überholer, das eigentliche Problem. Denn selbst die zahmste Pralinenschachtel aus dem Hause Smart und Gogo schafft es mit Leichtigkeit und einem beherzten Tritt auf das Pedal, bergab die Hundertermarke zu durchbrechen* und damit Anlauf auf die entgegenkommende Leitplanke zu nehmen. Der Radfahrer zwischen beiden fällt da kaum mehr ins Gewicht.
Wenn man also den Berg rauf kurbelt, wird man - wie soll ich sagen? - auf natürliche Weise schneller, als man eigentlich will. Der Emergency-Sportler fühlt sich von einer unsichtbaren Verfolgergruppe bedroht, die gleichzeitig von vorne, hinten und möglicherweise sogar in Form eines vom Feldweg gegenüber rückwärts in den Verkehr stoßenden Traktormähwerks über ihn kommen könnte, bevor er einen halbwegs funktionierenden Plan entwerfen kann, um dem Teufel (über die Planke) so eben noch von der Schippe zu hopsen. Der Erfolg eines solchen Versuchs steht in den Sternen.
Deshalb also Anxt. Die Strecke habe ich nicht gemessen, aber es zählt der Chillwert: Der Streckenchill liegt ungefähr bei 5km. Genug Zeit für genug Angst. Frage mich selbst, warum man sich als Radfahrer da hinauf begibt. 42/17 auf 28'' rund zu drehen, gibt im Nachhinein einen ungefähren Eindruck von der Bedrohungssituation.
Ich will mal von dem Betonmischer erzählen. Aus zwei Gründen eigentlich: zum ersten, weil oben angekommen am Berg ein vierachsiger Muldenkipper die Verfolgung aufnahm, zum anderen in Erinnerung an den drolligen Kautz, der sein Rad in Rom vom Papst segnen liess und dann den schweren Unfall in Ancona hatte - auch mit einem Betonmischer, wenn mich die Erinnerung nicht trügt - den er nur durch Gottes Hilfe und jene päpstliche Segnung überlebte. Ich hatte ja den Segen nicht und obendrein beim Losfahren noch den Fluch im Ohr "Was denn, du fährst ohne Helm?". So ein Helm beeindruckt Betonmischer ungemein.
Der hier Erwähnte begegnete mir an einer Steigung etwa zwanzig Kilometer entfernt vor Jahren, als Radfahrer auf öffentlichen Straßen der Umgebung der allgemeinen Duldung unterworfen waren. Er knobelte sich im Niemandsland zwischen zwei Verbandsgemeinden durch die kleinen Gänge einen kurvigen Berg hinauf, als ich ihn kalt erwischte. Hohen Gang eingelegt und zügig dran vorbei. Dann mit fauchender Lunge (nur nichts anmerken lassen) im Wiegetritt den Berg hinauf, bis außer Sicht. Das ist die übliche Taktik. Solange der Gegner einen sehen kann, muss man die Zähne zu einem Lächeln verbeissen und den Eindruck erwecken, man flöge geradezu mit Leichtigkeit die Steigung hinauf. Das demotiviert den Verfolger.
Der demotivierte Verfolger wollte allerdings die Schmach damals so nicht hinnehmen und den Rest seines Lebens mit der Demütigung weiter vegetieren, von einem unmotorisierten Verkehrsteilnehmer abgehängt worden zu sein und jodelte sein Getriebe nahezu in den A... bei dem Versuch, die Niederlage zu tilgen. Ich hörte ihn noch schallend durch die Wälder schalten, bis ich oben war. Und fuhr dann sicherheitshalber eine andere Route. Manch einer neigt ja zu Jähzorn in solcher Situation. Es war besser, sich außer Sicht zu halten. Den Muldenkipper habe ich dann geschmeidig vorbei gewinkt, was ein SUV veranlasste, den Hopp gleich auch zu nutzen und mit geschätzten 80 in die Ortschaft zu knallen. Alles besser, als Zweiter zu sein. Helmpflicht ist ja auch längst überfällig.
Ich denke, vorerst behält der Anxtberg seinen Namen
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