Impressionisten

Bundeskunsthalle ist ein ziemlich verschrobenes Wort. Vielleicht eine Mischung aus Markthalle, Schweizer Bund und Turnhalle. Dort sind zur Zeit die Asylanten untergebracht, Exilimpressionisten aus der Zeit der Öffnung Japans für die westliche Welt. Sowas um die 1860 rum dampften die Amerikaner mit großer Flotte nach Edo und beendeten das japanische Mittelalter zugunsten des Raubtierkapitalismus. Japanische Kultur befruchtete Europa und seine Kunst, und umgekehrt europäische Japan.

Es gab dazu in München mal Sehenswertes - die Entwicklung des Pointillismus* Maltechnik, die auf unvermischte, punktuell aufgetragene Farbflecken setzt. Hier geht es um Impressionismus, eine Strömung, die das duale Zerwürfnis der Vorjahrhundertwende (19-20) repräsentiert. Teilchen und Welle in der Physik, Im- und Expressionismus in der Kunst.

Schön kuratiert ist der Gedanke, wie sich Kunst und Technik verzahnt. Der Künstler nutzt die Eisenbahn und Farbe in Tuben und kann daher sein Atelier zum Malen verlassen. Er sucht sich mithin Themen, die den Alltag auf dem Land am Rand der Eisenbahnperipherie (von Paris) zeigen. Naturalismus, denn Abbildung gefällt sich vor der brauchbaren Entwicklung der Fotografie noch selbst. Inhalte sind die Kargheit und Einfachheit als Pendant zur aufkeimenden Reizüberflutung der technisierten Zivilisation. Religiöse Motive treten in den Hintergrund. Künstler bilden in explodierenden Metropolen eine Bohème. Und diese inszeniert sich selbst.

Entsprechend das spannendste Exponat für den modernen Selfies-gewohnten Betrachter: Degas' Familienidyll seiner Freunde, des Ehepaars Manet, das Manet zerstörte. Nimmt man das Gesamtkunstwerk einer in zwei Teile gerissenen Welt, in dessen sichtbarem Teil Frau Manet in die Wand hinein Klavier spielt, als blicke sie wie auf einem Gemälde Edward Hoppers nach zünftigem Streit durchs Fenster in die unsichtbare Ferne, wäre man schon im amerikanischen Realismus angekommen. Achtzig Jahre im Kreis.

Rodin schlägt währenddem den Bogen in die Antike, vor allem durch Plastik, die mythische Themen praktisch zusammenhanglos in die Ausstellung pflanzt. Wenn nun noch der Audiokommentar alle Nase lang die Bewunderung der Japaner für diesen oder jenen Künstler eifrig überhöht, verortet sich die Ausstellung selbst wieder im wirtschaftswunder-sterilen Kunsthallenambiente. Und man steht am Eingang des Bunkers auf der Museumsmeile ratlos wie man kam.

Im Stadtarchiv von Linz(Rhein) wurde ein anderer, ganz unbekannter Maler ausgestellt, dessen Entwicklung jäh in jungen Jahren durch einen Schießunfall endete. Johann Martin Niederée blieb so provinziell wie seine Heimat, wohl trotz des Talentes, das ihn hinaus katapultiert hätte - möglicherweise auch bis in den Impressionismus hinein, weil er keine 23 wurde. Ein Blick auf sein Selbstbildnis, und man hat einen Jugendlichen von heute vor Augen. Die Themen seiner Briefe an Eltern und Gönner ebenso hochaktuell wie beispielsweise der Wunsch nach Missionstätigkeit (vielleicht eine Art von freiwilligem sozialem Jahr?) und das Militär mit allem Für und Wider, das 150 Jahre später diskutiert werden wird.

Blickt man an, was er tut: er malt realistisch, Portraits vor allem. Wo er sich an Akten versucht oder inszeniert, entstecht geradezu grotesk infantiles Gewerkel. Eine Bewunderung für Da Vinci ist unverkennbar und damit der Absturz in düstere Vergangenheit. Die Portraits allerdings machen ihn großartig und zeigen, wie viel Spielraum in Versuch und Vollendung noch liegt. Selbst im genauesten Zeichnen entwickelt sich jede seiner Skizzen allmählich zu einer Art von Karikatur. Er malt das Wesentliche. Und das Naturalistisch. Es muss mit Rücksicht auf den Wirkungsort Naturtalent gewesen sein.

Das wieder bringt zu den Impressionisten zurück, denn da schwebt dieses Unbehagen zwischen Rodins Plastiken, Degas' Szenen einer Ehe und den etwas klößigen Waschszenen Yasuis. Vielleicht einfach deshalb, weil auf so kleinem Raum Manet, Gauguin, Cézanne schon den Rahmen sprengen einer Ausstelung, die im Grunde alles zeigt. Bis hin zur Dampflok in den eigenen Schwaden. Die Konzentration auf das Wesentliche scheint schwer, wenn man sich nicht zu entscheiden weiß, was dieses Wesentliche nun eigentlich ist.

Wahrscheinlich, dass man diese Ausstellung so in Deutschland selten sehen wird.