Der Leser
Er sagt mir, er könne nicht anders. Es schade ihm. Das wisse er. Er lese, obwohl er die Folgen kenne. Sie träten ohnehin ein. Welchen Sinn ergäbe es, es nicht zu tun? Dann träten die Folgen eben früher ein, aber verhindern könne er sie durch abstinentes Verhalten eben auch nicht. Wenn die Disposition so wäre, könne man es nicht ändern. Das sei das Leben.
Wir sprechen auch über das Rauchen und das Trinken. Beim Rauchen sei das ähnlich. Wer raucht, schadet sich, ganz ohne Zweifel. Aber er genieße es trotzdem. Er glaube nicht daran, dass Krankheiten an der Lunge ganz vermieden werden, wenn man auf Genußmittel verzichte. Auch wisse er, dass Genußmittel soziologische Kontexte haben. Man rauche unter Umständen, weil man es genieße, der Schneckenspur einer Werbeillusion zu folgen.
Lesen erinnert ihn an dieses Pfadfinden einer gesellschaftlichen Illusion, die jemand anderer vorgezeichnet habe, und der andere mit Genuss folgten. Lesen habe auch addiktische Seiten wie das Trinken. Der illusionäre Rausch eines, der sich selbst überschätzt, in andere Zusammenhänge setzt, der sich ausweint oder gewalttätig wird, der seine negativen Seiten lebt und sei es nur zwischen den Deckeln eines Buches oder zwei Schlucken Wein oder Bier. Dasselbe.
Wer lügt, tötet. Spricht der Film (Saustall, Bertrand Tavernier). Wer sich selbst belügt, ... konsequente Folgerung des Ganzen. Jack Nicholson soll im Zusammenhang des Zigarrenrauchens (Havanna Puros) zugegeben haben, dass man schlechte Gewohnheiten wie das Zigarettenrauchen nicht los wird. Man könne sie lediglich durch gute ersetzen. Und das seien in seinem Fall die kubanischen Zigarren. Die etwas edlere Variante der Lüge: sie ist verteuert und raffiniert** .
Wir sitzen also da und rauchen. Es ist ein frischer Spätsommerabend. Zwei Billardpartien am Snookertisch auf dem Amateurniveau, das den wahren Namen des Spiels auszusprechen blasphemisch erscheinen lässt. Hinter der Theke E, die gerade frisch aus Zaragoza zurück gekehrt ist und dringend rät, den Plan mit der Motorradfahrt bald umzusetzen. 30° im Schatten dort. Ich habe noch eine Kurzgeschichte vor der Brust, die hundert Kilometer weiter westlich entstanden ist und nun aufs Papier will. QQ steht unterm Dach, Tank ist voll.
Und es regnet.
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