Afrika ist gar nicht so weit
Vor langer Zeit ging ich noch zur Schule, sah mir abends im Fernsehen Professor Grzimek an und wollte Tierpfleger sein. Als Nebenjob zu Latein und Geschichte hätte das den Unterrichtsplan (Biologie aus Lehrermangel nicht erteilt) enorm angereichert. Tiere, sagt man, seien die besseren Menschen. Glücklicherweise ging der Wunsch nicht in Erfüllung, sonst hätte sich die Weisheit vielleicht bestätigt und es wäre in mir ein vollkommener Misanthrop heran gewachsen. So blieb der Misanthrop Amateur.
Ich habe jetzt dank besonderer Umstände das Glück, doch noch Tiere zu pflegen. Der private kleine Zoo umfasst alle Sorten, die nicht in Afrika wachsen im goldenen Schnitt mit denen, die auch in jene anderen Teile der Welt nicht hingehören, die außerhalb elektrischer Weidezäune liegen. Also praktisch das Getier, was man vorm Auto hat, wenn man nachts ohne Licht in ländlicher Gegend spazieren fährt.
Durch meinen afrikareisenden Freund weiß ich nun, dass es Dropping ist, was ich auf den Mist räume, und nicht hundsgemeine Sch...; und aus Beobachtung lernt man, zu unterscheiden, was das Tier innerlich bewegt, sollte man jemals selbst in die Serengeti aufbrechen. Angst, Genußsucht, Langeweile, Durst, Hunger oder Hitze - solche Merkmale liest der Trapper vom Misthaufen ab. Außerdem die Hühner. Die sind noch neu und stammen aus Rimburg, kennen sich also in Deutschland mit den Gepflogenheiten kaum aus. Insbesondere Schubkarren haben sie im Gefahrenpotential noch nicht einschätzen gelernt. In Holland wird geviezt, nich gekarrt, aber auch das ist sicher nur ein Vorurteil.
Zwei Wochen Misten und Füttern sollte eine würdige Fortsetzung für die Arbeit im Lebensmitteldiscounter sein. Nur die Werbespots sind nicht so schlagkräftig. Die Amateurlandwirtschaft hat kaum eine Lobby und erst recht kein Marketing. Was ist eigentlich - GUTER MIST? würde es sonst heißen. Nicht das, was Hühner gerne nagen, keine stylischen Menschen in sonnigen Cafés. Guter Mist ist keine Marke. Guter Mist ist der, der nicht im Stall liegt. Und erst recht nicht auf der Wiese oder im Auslauf.
Guter Mist ist auch das, was geschrieben, gezeichnet und dann von der Festplatte gelöscht worden ist. Dünger für was neues. Ich habe mich gerade um ein Stipendium bemüht. Die Ausschreibung passt aber auch sowas von ganz genau auf meine Arbeit, als hätte mir jemand wohlwollend über die Schulter geblickt. Man wird dann etwas forsch in der Selbstdarstellung, und vergisst fast, dass man zwei Wochen lang stellvertretend für eine Urlauberin die Gabel schwingt.
Ob die hauptamtliche Miste gerade in Afrika ist? Wer weiß! Zum Mist gibt es abends ein Bier und dazu spanische Lyrik von der Renaissance bis ins 19. Jahrhundert. Herzensdamen, Schlachtengetümmel und Sauferei auf Amors Flügeln. Der Spanier weiß sich galant auszudrücken. In deutscher Übersetzung übrigens noch besser. Das liegt an Schnarr- und Klapperlauten, die ich persönlich im Kastiliano so liebe. Sie passen allerdings eher in die Stierkampfarena, wo brave Torros blutig sterben, oder auf See, wenn es eine Armada geschlagen an Land spült.
Das Stipendium bringt ans Meer, und das ist der zweite große Traum. Eigentlich aufs, nicht ans, aber das ist der nächste Schritt. Gerade kehrt das schwarze Huhn zurück und der Stall ist sauber, das Bier ist leer, und die Zigarre brennt. Afrika ist gar nicht so weit.
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