Pfingsten

... ist ja das Fest der Erleuchtung. An der Universität von Siegen sammelt sich ein kleiner Arbeitskreis aus Kunststudenten, um eine Fachtagung der Kunstpädagogik zu organisieren. Als Gast des Organisationskreises hatte ich das Glück, den Künstlern nicht nur bei der Arbeit, sondern auch in ihrem Schaffen über die Schulter sehen zu können. Eine einmalige Gelegenheit.

Der Fachbereich Kunst der Siegener Uni ist im Brauhaus untergebracht. Es handelt sich um eine ehemalige Brauerei, direkt neben einem Spaghettiknoten der Hüttentalstrasse (HTS) an den Fels geklebte vier Etagen klassische Industriearchitektur. Ich kannte das Gebäude bisher nur von außen. Wenn man die Auffahrt zur HTS nutzt, erscheint es einem, da man im Kreis herum fährt, selbst vom Grundriss radial, aber das täuscht. Es ist ein Backsteinquader.

Innen drin dann eine schmale Treppe, wie man sie vor hundert Jahren zweckmässig fand, und daran anschließend ein Labyrinth aus Maler- und Druckwerkstätten, Kaffeeküchen, Rahmenbauereien, Fotoateliers und Dunkelkammern. Die Vielfalt dessen, was dort gegenwärtig gemacht wird, haut den Betrachter schier um. Ich will gar nicht erst versuchen, die Skulpturen und Gemälde, Werkstoffe und Installationen zu rekapitulieren, die in ihrer Entstehung begonnen, halb oder fast vollendet in ihren Farben, Materialien, Fotoplatten und Druckutensilien stehen und einen lebendigeren Eindruck vom Schaffen geben, als es Museen oder Galerien könnten. Nur dass es mitreißend ist, kann man unbesehen glauben.

Dann nämlich ging es zu einer Ausstellung, und deren Location kann man ohne Übertreibung als abgefahren bezeichnen: die ehemalige Seuchenstation des Stadtkrankenhauses, ein herunter gekommener, dem baldigen Abriss geweihter Pavillon unweit des Unteren Schlosses. Dort gab es das ganze noch einmal in fertig. Regenmacher und Humboldtsche Sammelfakes, Strichskizzen und Gesichterskizzen eines gesichtsblinden Künstlers. Dazu Wein und Häppchen mit Blick auf Telefonanlagen aus grauer medizinischer Vorzeit.

Was zwischen den beiden Eckpunkten dieser Pfingstreise liegt, ist ein langer Spaziergang quer durch eine Stadt, die sich vor allem durch ihre Liebe zum Unterirdischen, Verbauten und allen Spielarten der Verwertung von Beton auszeichnet. Man kann unter der HTS wandern und sich inspirieren lassen vom realen Vorbild des Wortes Grotesk. Man kann aber auch trockenen Fußes über Flüsse wandeln, weil sie durch meterdicken Beton unter die Erde gebannt wurden, und selbst da, wo Rückbau stattfand oder -findet, ist noch die gestaltende Kraft des Betonmischers zu spüren und die Wut der Bauzaunerbauer.

Am Ende trägt die Bahn dich sanft durch das Siegtal und verfremdet deine Eindrücke endgültig zu einer Imagination. Man kann das alles nicht glauben. Vielleicht soll man es ja auch nicht ...

⃯⃯auch nicht zu glauben ist das hier: Krumme Hunde ...